Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 25. (1972) - Festschrift für Hanns Leo Mikoletzky

BLAAS, Richard: Metternich, Mazzini und die Gründung der Giovine Italia

600 Richard Blaas Mazzini, selbst Carbonaro, hatte in seinem selbstgewählten Exil be­gonnen, sich kritisch mit dem Geheimbund auseinanderzusetzen. Er er­kannte sehr bald, daß die verschiedenen Sekten der Carbonari einig nur in dem waren, was sie ablehnten. Die Überbetonung des Individualismus, die Vernachlässigung der breiten Masse des Volkes, die geheimnistuerische Geheimbündelei, die doch recht utilitaristischen Zielsetzungen, dies und noch manche andere negative Erscheinungsformen ließen Mazzini und viele der jungen Exilierten am Carbonarismus als politischer Bewegung zur Befreiung und Einigung Italiens irre werden. Dem stellte Mazzini in seiner Neugründung ein festumrissenes und ideologisch fundiertes Kon­zept mit einem einheitlichen und in sich geschlossenen Programm gegen­über. Es ist hier nicht der Ort, über Mazzinis Ideenwelt14) des langen und breiten abzuhandeln; einige Grundelemente seiner Gedankenwelt seien jedoch angeführt. Das zentrale Thema lautet: Einheitsstaat und Re­publik. Die Fürsten Italiens haben versagt, desgleichen die oberen Gesell­schaftsschichten, die bisherigen Träger der nationalen Bewegung. „Das Volk ist das Prinzip, auf dem das ganze politische Gebäude ruhen muß.“ Das italienische Volk aus seiner jahrhundertealten Lethargie gegenüber seiner Geschichte herauszureißen, es zum Bewußtsein seiner selbst zu brin­gen, es zum Inhalt und Träger eines neuen nationalen Daseins zu machen, das ist die Mission der Giovine Italia. Gemeinschaft schaffen, ist die oberste Aufgabe, und die höchste Form der Gemeinschaft ist nach Mazzini die Nation. Das Lebenswerk des unermüdlichen, fanatischen Revolutionärs und Agitators Mazzini erschöpft sich in der Aufgabe, die Nationswer- dung des italienischen Volkes einzuleiten und herbeizuführen. Mazzini er­hebt den Nationsbegriff in die Sphäre einer religiösen Weltanschauung, doch ist auch die Nation nicht letztes Ziel und Selbstzweck, sondern ist hingeordnet auf den Dienst an der Gesamtheit und ihren Anliegen, näm­lich Einheit, Friede, Freiheit, Recht und Fortschritt. Mazzinis Ideengut hat eminente Bedeutung gehabt für die nationale Erneuerung. In der Praxis freilich ist Mazzini auf den von den Carbonari erprobten Geleisen weitergefahren, er ist der ewige Verschwörer geblie­e la „Giovine Itália“ (Pisa 1960) 2 Bde. Dieses Standardwerk über die Grün­dung des ,Jungen Italien' ist aufgrund eingehender Archivstudien abgefaßt worden und bringt im Anhang zum 2. Bd. eine umfangreiche Dokumentation. 14) Luigi Salvatorelli Pensiero e azione del risorgimento (Torino 21962) 93 ff: „II Mazzini ha un pensiero giá pienamente formato e largamente propagandato prima del’ 40 con gli opuscoli, con gli scritti della ,Giovine Italia', con le lettere numerosissime e rieche di vita e pensiero, strumento efficace e intenso di propaganda". Ebenda 95, II Mazzinianesimo: „Ma nazione é per lui il popolo, tutto il popolo, ehe prende in mano esso medesimo i suoi destini. Il concetto d’iniziativa popolare, di autoattivitä e autogoverno nazionali, é per il Mazzini, fondamentale: si potrebbe dire Talfa e 1’omega dei suo sistema politico".

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