Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 25. (1972) - Festschrift für Hanns Leo Mikoletzky

AUER, Leopold: Zum Wahrheitsproblem in der Geschichte

516 Leopold Auer überzeugender ausfallen wird, je mehr der Historiker auch tatsächlich zu ihr steht. Freilich besteht hier die Gefahr eines Mißbrauchs durch das Herantragen eines fremden Normenkodex an das Vergangene 49), wie ihr die marxistische Geschichtsschreibung, aber nicht nur sie, zum Teil erlegen ist, doch wie wir gesehen haben, wäre auch die histoire historisante davor nicht gefeit. Das Ergebnis auf die Frage, wie wahre Urteile in der Geschichte mög­lich sind, erscheint auf den ersten Blick somit als ein recht dürftiges: das Gerüst gesicherter Tatsachen, darüber hinaus das Bemühen des Histori­kers, nach bestem Wissen und Gewissen zu urteilen, und eine sich heraus­bildende communis opinio als Maßstab der Wahrscheinlichkeit dieser Ur­teile. Man kann darin aber auch ein Positives erblicken: den nie endenden Prozeß historischer Erkenntnis. Dementsprechend stellt sich auch die hi­storische Wahrheit als ein Ziel dar, nach dem sich der Historiker zwar immer ausrichten muß, dem er sich vielleicht sogar annähert, ohne es jedoch je ganz zu erreichen. Aber gerade die unerreichbaren Ziele sind meist auch die lebensnotwendigsten. 49) Wittram Der Mensch und das Sittliche 78.

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