Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 25. (1972) - Festschrift für Hanns Leo Mikoletzky

OESTREICH, Gerhard: Zur parlamentarischen Arbeitsweise der deutschen Reichstage unter Karl V. (1519–1556). Kuriensystem und Ausschußbildung

Zur parlamentarischen Arbeitsweise d. deutschen Reichstage unter Karl V. 219 aus verschiedenen Quellenpublikationen zur Verfassungsgeschichte des Zeitalters die Gewohnheiten und Grundsätze der parlamentarischen Tätig­keit des höchsten Reichsgremiums zu erschließen. Eine besondere Bedeutung für unser Thema kommt einer Aufzeich­nung aus der Kanzlei des Erzbischofs von Mainz zu, des Reichserzkanz­lers, der als Direktor des Reichstags für dessen technischen Ablauf eine überragende Position einnahm. Der Ausführliche Bericht, wie es uff Reichstagen pflegt gehalten zu werden von 1569 bietet uns so etwas wie die Niederschrift der üblichen Geschäftsordnung, und zwar sicherlich „zum offiziellen Gebrauch des Mainzer Kanzleipersonals“ (Hartung)6). Sie ist also erst über ein Jahrzehnt nach dem letzten Reichstag unter Karl V. entstanden. Wir stellen anhand des Quellenmaterials im Einzelnen fest, daß ihre Angaben für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts unprä­zise sind und bei diffizilen Fragen in die Irre führen. Beides trifft gerade für die Beschreibung der Substruktur der Aus­schüsse zu. Ihre Ausgestaltung (und Unterscheidung von den Deputatio­nen) haben wir im Auge. Für die Substruktur der früheren Zeit sind die Angaben des Reichstagstraktats (Cap. VIII) ausgesprochen falsch, und der Herausgeber spricht mit Recht vom „schwächsten Kapitel seiner Dar­stellung“ 7). Eine Einsicht in die prinzipielle Bedeutung des zwar nicht «) Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert. Eine offiziöse Darstel­lung aus der kurmainzischen Kanzlei, hg. u. erläutert von Karl Rauch (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des deutschen Reiches 1, Weimar 1905). Dazu Fritz Hartung Zum Traktat über den Reichstag im 16. Jh. in MIÖG 29 (1908) 326—338. Antwort von Rauch in MIÖG 30 (1909) 510—524. Eine neue Ausgabe des wichtigen Traktats ist notwendig, zumal sich der Text, wie schon Ulrich Stutz in ZRG GA 26 (1905) 383 feststellte, vorzüglich für Seminarübungen über neuere Verfassungsgeschichte eignet. Sie muß von Har- tungs berechtigter Kritik ausgehen und von den Handschriften, die nach Har- tungs Nachweis dem nicht erhaltenen Original näherstehen als die Drucke von 1612, die Rauch zugrunde legte. Über Bedeutung und Inhalt des Berichts, der zwischen 1612 und 1641 sieben Auflagen erlebte und später noch zweimal (1668, 1713) nachgedruckt wurde, ausführlich Schubert Die deutschen Reichstage 243—262. Im Kapitel zuvor erwähnt Schubert Schritte der allgemeinen Reichs­tagsliteratur aus der Wende vom 16. und 17. Jahrhundert zu einer prinzipiellen Berücksichtigung der Reichstagsverfassung. Im 17. Jahrhundert erscheint dann eine größere Zahl von Schriften über die Organisation des Reichstags „auf Grund des in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erreichten Status“. Schubert analysiert die allgemeinen wie die Spezialabhandlungen ausführlich. Eine weitere schriftliche Fixierung der Geschäftsordnung, eine Art Ergänzung des Mainzer Reichstagstraktats von Habsburger Seite, erfolgte in den „Notabilia“ von 1597 für die österreichischen Gesandten „als Directoribus des Fürsten Raths“. Neuer Hinweis bei Winfried Schulze Das Haus Österreich auf den Reichstagen des späten sechzehnten Jahrhunderts in Österreich in Geschichte und Literatur 16 (1972) 126—129. Die Notabilia sind bereits von Hartung in MIÖG 29 (1908) 335—338 in extenso ediert worden, was Schulze übersehen hat. 7) Rauch Traktat 70 Anm. 3.

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