Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 25. (1972) - Festschrift für Hanns Leo Mikoletzky
HOLLAENDER, Albert E. J.: Offiziere und Prälaten. Zur Fuldaer Bischofskonferenz, August 1945
Offiziere und Prälaten 187 Verantwortung zur vertraulichen Information verteilt wurden. Diese Überzeugung mag weiterhin zur Annahme berechtigen, daß dem Bericht offiziell oder inoffiziell besondere Wichtigkeit und Bedeutung beigemessen wurde, und man wird wohl kaum fehlgehen, wenn man die Verteilungsagentur mit der ,Religious Affairs Branch' der ,Allied Control Commission, Germany (British Element)' identifiziert. Es war diese Zweigorganisation, der der Berichterstatter zur kritischen Zeit zur Dienstleistung zugewiesen war und der er an leitender Stelle als ,Controller General' Vorstand. Man weiß ferner, daß Kardinal Griffin sich bereits im September 1945 auf dem europäischen Kontinent befand4), wenngleich sein Itinerar mit der heute der Forschung zugänglichen Dokumentation noch nicht näher ermittelt werden kann, sowie daß Bischof Bell mit spezieller Bewilligung Feldmarschall Montgomerys vom 18. bis zum 30. Oktober in Begleitung von Dr. Gordon Rupp 5) und Pfarrer A. Cotter 6) in Deutschland weilte, um sich über die allgemeinen konfessionellen und kirchenpolitischen Verhältnisse nach dem Waffenstillstand aus eigener Anschauung zu informieren7). Es ist nicht ausgeschlossen, daß Bischof Bell im Verlauf seiner Deutschlandreise, zu einer Zeit, da die hektogra- phierten „Exemplare“ des Berichts bereits „vergriffen“ waren, den Autor persönlich traf und von ihm eine speziell angefertigte und eigenhändig authentifizierte Abschrift, die selbst wieder ein Durchschlag ist, erhielt. Es ist hier der Ort — noch bevor die heute nur mutmaßliche Vorgeschichte des Berichts kurz angedeutet werden kann —, sich mit der Persönlichkeit des Berichterstatters zu befassen. Mit meisterlicher Treffsicherheit hat Meisner kürzlich festgestellt: „Akten (,Händel') sind der schriftliche Niederschlag von Handlungen. Es heißt daher zunächst, sich mit den handelnden Personen bekannt zu machen, die an der Fertigstellung des Schriftguts t e i 1 h a b en. Und das bedeutet wieder, sich die Einrichtungen, in denen jene Personen tätig waren, Organisation und Geschäftsgang der staatlichen Behörden als des aktenerzeugenden Prototyps in allgemeinen und beispielhaften Zügen vergegenwärtigen“ 8). Dieses Doppelpostulat kann im vorliegenden Fall nur nach einer, und zwar der erstgenannten Richtung hin, — und auch da nicht restlos befriedigend — erfüllt werden. Seine Befolgung in der 4) Der Umschlag, in dem die Westminster-Kopie gegenwärtig abgelegt ist, trägt die Aufschrift „Visit to Continent September 1945“. 6) The Rev. Ernest Gordon Rupp, M. A., D. D., F. B. A. Methodist. Bedeutender Reformationshistoriker und Luther-Forscher. Gegenwärtig ordentlicher Professor (Dixie Lehrstuhl) der Kirchengeschichte an der Universität Cambridge (Emmanuel College). 6) The Rev. Arthur Cotter, vormals anglikanischer Kaplan in Chantilly, von 1945—1947 der Religious Affairs Branch zugeteilt. 7) Jasper Bell 293. 8) Meisner Archivalienkunde 257.