Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

HEINDL, Waltraud: Die Wiener Nuntiatur und die Bischofsernennungen und Bischofsenthebungen in Ungarn 1848–1850

430 Waltraud Heindl den höchst unzufrieden, versuchte dem damals streng konservativen Pri­mas zu opponieren und trachtete deshalb, Szcitovszkys Wirken zu para­lysieren. Eine Möglichkeit, Einfluß zu gewinnen, sah man in der Person Baron Geringers, des Ziviladlatus Haynaus, der mit seinem Vorgesetzten in ständiger Fehde lag. Gerade dieser Einfluß erschien aber dem Pronun­tius als äußerst ungünstig, und er versuchte nun vor allem hinsichtlich der Neubesetzung der Diözesen sowohl Geringer als auch Haynau 88) aus­zuschalten und in Wien die Position Szcitovszkys gegenüber Haynau zu stärken "). Das war nicht allzu schwierig, da man sich auch in Wien vom Fürstprimas nur einen günstigen Einfluß auf die Bevölkerung Ungarns erwartete. Dieser sollte in Zukunft auch tatkräftig für die Wiedererstar­kung des religiösen Lebens in Ungarn wirken 10°). Haynau aber konnte bei den Bemühungen, die katholische Kirche Österreich freundlicher ge­sinnt zu stimmen, nur störend wirken. Seine bereits erwähnte Fehde mit Szcitovszky, die Urteilssprüche über die Bischöfe, die ewigen Zwistigkei­ten mit seinem Ziviladlatus Geringer 98 * * 101), der aber, wie bereits erwähnt, mit einem Teil des jungen Klerus in Ungarn recht gute Beziehungen unterhielt102), mußten dem Ansehen des kaiserlichen Kommissärs in kirchlichen Kreisen mehr als genug geschadet haben. — So mag neben den Differenzen um die Judenkontribution und die kriegsgerichtlichen Urteile 103) auch die religiöse Frage zur Anspannung der Situation zwi­schen dem Kabinett und Haynau beigetragen haben, die dann schließlich zur Enthebung des kaiserlichen Kommissärs führen sollte. * Resümiert man die Haltung Viale-Preläs in den Bischofsangelegen­heiten, so ist klar ersichtlich, daß dem streng konservativen Pronuntius jegliches Verständnis für irgendwelche liberalen oder progressiven Kräf­te in Staat und Kirche mangelte. Er brachte dem Verhalten der Bischöfe kaum mehr als Abneigung entgegen. Die Sympathien des päpstlichen Vertreters für das unnachgiebige Vorgehen der absolutistisch-konservati­98) Durch die grelle Schwarz-Weißmalerei, in der Viale-Prelä das Kabi­nett der Militärregierung gegenüberstellte, gewinnen wir den Eindruck, daß ihm Haynau allein seines lutheranischen Glaubensbekenntnisses wegen suspekt war. Geringer schenkte er wenig Vertrauen, da dessen Mutter und Gattin dem protestantischen Glauben angehörten. VA NdiV 322: Viale-Prelä an Antonelli, 1849 Dezember 29 Nr. 259. Vgl. auch S. 416 f. »9) Ebenda. 10°) Der Fürstprimas erließ einen Hirtenbrief in deutscher Sprache, in welchem er die Gläubigen zum religiösen Eifer anspornte, er veranstaltete geistliche Exerzitien und Missionen und gründete Klostererziehungsanstalten. VA NdiV 347: Viale-Prelä an Szcitovszky, 1850 Februar 6 Nr. 364; VA NdiV 322: Viale-Prelä an Antonelli, 1850 Juli 24 Nr. 402 und September 25 Nr. 445. toi) Walter Von Windischgrätz über Weiden zu Haynau 123 f. 102) VA NdiV 322: Viale-Prelä an Antonelli, 1849 Dezember 29 Nr. 259 und 1850 Juni 28 Nr. 390. ms) Vgl. Anm. 91.

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