Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)
HEINDL, Waltraud: Die Wiener Nuntiatur und die Bischofsernennungen und Bischofsenthebungen in Ungarn 1848–1850
Die Wiener Nuntiatur und die Bischofsernennungen in Ungarn 1848—1850 431 ven österreichischen Regierung in Ungarn sind nicht zu übersehen. Wir können auch feststellen, daß Viale-Prelá in erster Linie auf die diplomatischen Beziehungen zwischen der Kurie und Wien bedacht nahm, wobei er sich der österreichischen Regierung gegenüber sichtlich entgegenkommend zeigte l04). Man hat den Eindruck, daß der päpstliche Vertreter die Bischöfe im allgemeinen in ihrem Verhältnis zum Staat betrachtete und die Pflichten, die sie als Staatsbürger und Untertanen gegenüber ihrem Souverän zu erfüllen hatten, höchst wichtig nahm. Der Aspekt, daß die Oberhirten Untertanen und damit auch Schutzbefohlene des Hl. Stuhles waren, trat erst in Geltung, wenn es sich offenkundig um grobe Verletzungen des kanonischen Rechts handelte. Ob der Pronuntius dabei von utilitaristischen Motiven geleitet wurde oder ob das staatskirchliche Denken jener Zeit auch im Bewußtsein des päpstlichen Vertreters so fest verankert war, kann hier nicht entschieden werden. Fassen wir noch einmal zusammen, welche Rechte der Pronuntius für die Kirche beanspruchte, so ergibt sich folgendes: Es ging ihm im Grunde um das Recht der Absetzung eines Bischofs durch den Papst und — im Zusammenhang damit — der Einsetzung in spiritualibus; im gleichen Maße gaben wohl auch die Eingriffe des Staates in die Verwaltung der bischöflichen Güter Anlaß zu den heftigen Protesten 105). Vergleicht man diese Ansprüche mit jenen, welche — wie eingangs erwähnt — einige Jahrzehnte später die Kurie an den Staat stellte, so werden die grundlegenden Unterschiede deutlich. Das Recht der Translation eines Bischofs durch den Landesfürsten, das von letzterem so oft ge- handhabt worden war und um welches später ein heftiger Rechtsstreit entbrennen sollte106), spielte in den Jahren 1848 bis 1850 noch keine Rolle 107). Das Nominationsrecht des Kaisers bzw. Königs als solches blieb überhaupt vorderhand — gemäß der staatskirchlichen Tradition — als Selbstverständlichkeit völlig unangetastet und lag außerhalb jeder Diskussion. Das konservativ-absolutistische Kaisertum Österreich und das 104) Bekanntlich bezeichnete Viale-Prelä später die in Wien verbrachten Jahre als Höhepunkt seines Lebens. Vgl. Engel-Janosi Österreich und der Vatikan 1, 71. 105) Vgl. s. 420, 424. 106) vgl. Goldinger Kaiserliches Nominationsrecht 213; Saurer Bischof sernennungen 14, 17. Siehe auch S. 402 f. 107) Im Gegenteil — der päpstliche Staatssekretär meinte zu den Bischofsernennungen im Jahre 1848, unter denen sich einige Translationen befanden: „... rispetto a cui non trattasi che di traslazione, Sua Santitä si é degnata ad accettarne le imperiale nomina.“ (VA NdiV 329: Soglia an Viale-Prelä, 1848 August 29 Nr. 7298/6). — Es war bereits zur Gewohnheit geworden, die vom Kaiser vorgenommenen Translationen ohne Aufhebens zu tolerieren. Auch von seiten der österreichischen Regierung vertrat man 1849 den toleranten Standpunkt: „Im Falle der Versetzung müßte jedoch das Band, das den Bischof an seine bisherige Diözese knüpfe, vorher von dem Papste gelöst werden.“ HHStA PA XI 192: Schwarzenberg an Bach, 1849 Dezember 4.