Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)
HEINDL, Waltraud: Die Wiener Nuntiatur und die Bischofsernennungen und Bischofsenthebungen in Ungarn 1848–1850
Die Wiener Nuntiatur und die Bischofsernennungen in Ungarn 1848—1850 429 Wachsamkeit und großer Strenge“ gegenüber Ungarn eingetreten war 92) und Havnaus Vorgehen im besiegten Land ansonsten keine Hindernisse entgegengesetzt zu haben schien, trat später, wie bereits erwähnt wurde, für mildere Maßnahmen gegenüber dem Episkopat ein. Dabei ging es ihm wahrscheinlich anfangs ausschließlich um die diplomatischen Beziehungen zum Hl. Stuhl, später jedoch dürfte auch bei Schwarzenberg der erwähnte Konflikt mit der Generalität in Ungarn eine nicht unbeträchtliche Rolle gespielt haben. — Bach dagegen schien die unumschränkte Macht, die FZM Haynau in Ungarn für sich in Anspruch nahm, bereits früher ein Dorn im Auge gewesen zu sein, und er beschwerte sich bereits im September 1349 im Ministerrat über die Ungleichheit der militärgerichtlichen Urteile93). Anfangs 1850 trat er noch einmal energisch für die Niederschlagung der „so mißlichen politischen Untersuchungen in Ungarn“ ein94). Offensichtlich nahm Bach die irregulären Bischofsverurteilungen nur als weiteres Indiz für die Eigenmächtigkeiten und Willkürlichkeiten Haynaus, gegen die zu kämpfen er keine Gelegenheit vorübergehen ließ. Die ostentative Parteinahme des Innenministers für die ungarischen Bischöfe im Ministerrat fügt sich also in den Rahmen des allgemeinen Konflikts zwischen Regierung und Militärs. Das Kabinett aber beabsichtigte in der Bischofsfrage offensichtlich die Anwendung der bekannten Methode, die Kirche zur Stärkung der Staatsgesinnung heranzuziehen. Man versuchte augenscheinlich, den in Ungarn größtenteils adeligen Episkopat zu besänftigen und die katholische Kirche Ungarns zumindest nicht noch mehr von sich zu entfernen. Dies war besonders in Ungarn wichtig, da die Leitung des geistigen Lebens zum Großteil in den Händen der Kirche lag95), und der Adel die wirklich staatstragende Schicht war 96). Das kirchliche Leben Ungarns lag aber völlig darnieder. Im März 1850 waren neun Bistümer vakant97). Sie zu besetzen, bereitete allein ungeheure Schwierigkeiten. Darf man den Worten Viale-Preläs glauben, so gab es kaum mehr Persönlichkeiten, die für die Bischofswürde geeignet waren. Denn die einen hätten sich durch ihre politische Haltung in irgendeiner Weise kompromittiert und besäßen deshalb nicht das Vertrauen des kaiserlichen Kommissärs, die anderen aber, die ehrgeizig nach der Mitra strebten, rekrutierten sich hauptsächlich aus den Reihen des jungen Klerus. Dieser war liberal-national gesinnt, mit allen herrschenden Zustän»2) Ebenda 142. »s) Ebenda 126 f. 9<) HHStA Kab. Kanzlei, MRProt. 1850 Jänner 28/V MRZ. 422/1850. 95) Vgl. Harold Steinacker Das Wesen des ungarischen Nationalismus in Friedrich Walter-Harold Steinacker Die Nationalitätenfrage im alten Ungarn und die Südostpolitik Wiens (siehe Anm. 91) 58. 96) György Spira Über die Besonderheiten der ungarischen Revolution von 1848—49 in österreichische Osthefte 12/3 (1970) 168. 97) HHStA Kab. Kanzlei, MRProt. 1850 März 26/1 MRZ. 1222/1850.