Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)
HEINDL, Waltraud: Die Wiener Nuntiatur und die Bischofsernennungen und Bischofsenthebungen in Ungarn 1848–1850
412 Waltraud Heindl sicherlich eine günstige Gelegenheit, die endgültige Besetzung hinauszuschieben 7S), und schließlich benützte man die Abwesenheit Viale-Prelás von Wien als Vorwand 73 74). Der Pronuntius aber weilte bis zum 12. September 1848 außerhalb Wiens. In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, daß in den offiziellen Weisungen des Hl. Stuhls die ungarischen Probleme kaum Erörterung finden. Das mag auf verschiedenen Gründen beruhen. 1848 war der Vatikan genügend mit eigenen Sorgen beschäftigt. An und für sich mögen anfangs die Vorgänge in Ungarn Pius IX., der bekanntlich für die Befreiung der oberitalienischen Provinzen von Österreich eingetreten war75), nicht so unwillkommen gewesen sein. Je mehr Wien mit Ungarn beschäftigt war, um so weniger hatte es in Oberitalien Handlungsfreiheit. Später jedoch, als ein Wandel der Prinzipien eingetreten war, mögen die staats- und kirchenpolitischen Vorgänge in Ungarn so verwirrend gewirkt haben, die Information so fragwürdig und die eigene Stellung des Papstes zum Kaiser in Wien so unsicher gewesen sein, daß eine möglichst geringe Einmengung die einzige Lösung schien. * Doch alle diese kirchenpolitischen Angelegenheiten wurden vom Gang der Ereignisse in Ungarn überrollt. Der Freiheitskrieg brach aus, in Ungarn wurde der Kriegszustand proklamiert. Mittlerweile, am 12. September 1848, war der Pronuntius nach Wien zurückgekehrt. Wie vorsichtig und abwartend Viale-Prelä den Ereignissen in Ungarn gegenüberstand, zeigt die Tatsache, daß er kaum darüber berichtete. Von Seiten des Hl. Stuhls schien jedoch der Freiheitskrieg — schließt man aus den offiziellen Weisungen — überhaupt nicht zur Kenntnis genommen worden zu sein. Wartete man darauf, zu welchen Gunsten sich der Kampf entscheiden würde, um in einer so zwiespältigen Situation weder den katholischen Hof in Wien noch die national-ungarisch Gesinnten unter den Katholiken Ungarns, deren es nicht wenige gab, vor den Kopf zu stoßen? Im Mai 1849, als der Kampf schon seinem Ende entgegenging, bequemte sich schließlich Viale-Prelä zu einer differenzierten Stellungnahme ’). Da Kossuth Protestant war, stellte der Pronuntius dem Hl. Stuhl die ungarische Revolution als einen Religionskrieg dar. Vom religiösen Standpunkt wäre ein Sieg der Revolutionspartei eine Katastro73) VA NdiV 329: Soglia an Viale-Prelä, 1848 August 29 Nr. 7298/6. 74) Ebenda: „... L’avvenute di Lei ritiro dalia Nunziatura apostolica in Vienna per le note circonstanze ha soltanto il carattere di una sospensione, non giä di cessazione ... cos! é fuori di dubbio appartenersi a Lei la redazione di succennati processi ...“. 7ä) Über die damit in Zusammenhang stehende Moccharinimission vgl. Friedrich Engel-Janosi Österreich und der Vatikan 1: Die Pontifikate Pius IX. und Leo XIII. (1846—1903) (Graz—Wien—Köln 1958) 39 ff. !) VA NdiV 322: Viale-Prelä an Antonelli, 1849 Mai 7 Nr. 175 und 1849 Mai 25 Nr. 184.