Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

MIKOLETZKY, Lorenz: Der Versuch einer Steuer- und Urbarialregulierung unter Kaiser Joseph II

Der Versuch einer Steuer- u. Urbarialregulierung unter Kaiser Joseph II. 313 nehmen lassen und auf Grund dessen einen erleichterten Steuerfuß einge­führt. Außer den mannigfachen Grundfehlern aber, die in der Neurege­lung dieser öffentlichen Abgaben selbst vorkamen, hatten sich seitdem auch die Grundlagen der gestiegenen Landeskultur, der zugenommenen Bevölkerung, der erhöhten Preise und der vermehrten Bedürfnisse des Staates vielfach geändert und die Mängel des bisherigen Steuersystems keineswegs zufällig vergrößert. Zu den vielen Staatsmännern, die dies erkannten, gehörte vorzüglich auch Joseph II. selbst; und „seine Ueber- zeugung von der WünschensWürdigkeit einer zweckmäßigen Änderung war hinreichend, seinen Willen unerschütterlich für die Ausführung der Sache zu bestimmen. Trotz aller Größe der Schwierigkeiten und Hinder­nisse, und der Gefahren des Mißlingens, die mit einer so wichtigen, alle Classen der Staatsbürger treffenden Neuerung verbunden waren“ 7). In diesen Sätzen hat ein Zeitgenosse des Kaisers in einem 1802 erschienenen Werk die ganze Problematik des Beginnens einer solchen Urbarialregu­lierung, die auch das Steuerwesen umfassen sollte, dargelegt. Der Doppel­charakter der josephinischen Reform entsprach nicht nur den Erforder­nissen jener Zeit, sondern stellte auch ein organisch gewachsenes Pro­dukt der ganzen vorherigen Reformtätigkeit des aufgeklärten Absolutis­mus in Österreich dar8). Daher der genaue Titel des josephinischen Werkes: „Steuer- und Urbarialregulierung“. Was ist allgemein unter einer „Regulierung“ zu verstehen? Es ist dies der Ausdruck für die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts erfolgte Umwandlung der Abhängigkeitsverhältnisse der Bauern von Gutsherren und Grundbesitzern, die noch aus dem Mittelalter stammten, in solche dem neueren Recht entsprechende Besitzformen. Es wurde schon festgestellt, daß der Kaiser nicht der Erfinder dieser Steuerregulierung ist; es wurde unter der Regierung Maria Theresias schon manches zur Hebung des wirt­schaftlichen Lebens in Österreich getan, aber vieles blieb übrig. Und so schritt Joseph, wie in allen Dingen energisch und entschlossen, zur Tat. Er hatte während der Zeit seiner Mitregentschaft (seit 1765) reichen Ein­blick in alle Staatsangelegenheiten erhalten. Er lenkte aber auch hier in alte Bahnen ein und hatte dasselbe Ziel vor Augen wie seine Mutter, nämlich möglichst viel Geld aufzutreiben, die Finanzen zu ordnen, die Zahlungskraft der Bevölkerung zu heben und ihren Wohlstand zu ver­mehren. Als er 1780 den Thron als Alleinherrscher bestieg, fand er durch­aus nicht die Ordnung vor, die seinen Anforderungen entsprochen hätte. Von einer Gleichmäßigkeit der Abgaben war keine Rede; trotz der großen Geldnot, in der sich der Fiskus unter Maria Theresia befand, zahlte der Adelige bedeutend weniger als der Bauer und dieser viel mehr als der 7) Heinrich Moriz Gottlieb Grellmann Statistische Aufklärungen über wichtige Teile und Gegenstände der österreichischen Monarchie (Göttingen 1802) 459 f. 8) Vgl. Rozdolski Steuer- und Agrarreform 9.

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