Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)
GASSER, Peter: Triestiner Handel vor 1790. „Corpo Mercantile“, die Anfänge der Handelsbörse und die Opposition Fiumes
Triestiner Handel vor 1790 267 dann für die Betroffenen nicht allein den Entzug bis dato unberechtigt genossener Vorteile, wie Börsefähigkeit und Forumprivileg, sondern drakonischere, vom Merkantilgericht zu bestimmende Maßnahmen, wie u. a. auch die Rele- gierung aus Triest zur Folge. Es irre daher die Börse, wenn sie als Grund für die Unwirksamkeit der bestehenden einschlägigen Gesetze die darin ungenügend klar formulierte rechtliche Stellung der einzelnen Händlergruppen anführe. Das genaue Gegenteil wäre in Wirklichkeit der Fall, da besagte Position erst und nur durch die vorbehaltslose Anwendung der Falliten-, Handlungsund Gerichtsordnung vom 19. Jänner 1758 eindeutig klar und mithin allen erkenntlich gemacht werden könne 47). Da die Bemühungen des Tribunale Civico Provinciale und des Triester Guberniums, dieses leidige Problem einvernehmlich (di concerto) befriedigend zu lösen, scheiterten, wurde die gutachtliche Entscheidung der Obersten Justizstelle angefordert. Diese liegt in einer am 20. November 1786 an die Triester Regierungsbehörde gerichteten Note vor. Wie kaum anders zu erwarten war, schloß sich der Präsident der Obersten Justizstelle, Christian August Graf Seilern, mit dem Bemerken, „daß die in dem Voto des Baron Ricci einkommenden Definitionen und Beschränkungen mit dem wörtlichen Inhalt des Gesetzes (vom 19. 1. 1758) nicht übereinstimmen ...“, dem Standpunkt der zweiten Merkantilgerichtsinstanz vollinhaltlich an4«). Die von der Börse, wie auch von Ricci vertretene Ansicht, daß die Verordnungen vom 19. Jänner 1758 in einigen Punkten den im Freihafenpatent vom Jahre 1719 enthaltenen Bestimmungen zuwiderliefen, wurde von der Obersten Justizstelle mit der Begründung bestritten, daß an einem Handelsplatz, folglich auch in einem Freihafen, die „obrigkeitliche Aufmerksamkeit zur Erhaltung guter Ordnung, und zu Abwendung alles Mißbrauches der Freyheit unvermeidlich“ wäre 49 50). Das Freihafenpatent hätte unter Freiheit nicht Zügellosigkeit, vielmehr freiwillige Selbsteinschränkung und zwar in der Form verstanden, „daß jene welche die Handlung führen, solches wichtige Werk ehrlich, redlich und also führen, damit Handel und Wandel besorget, Niemand aber in Schaden, und Nachtheil gesezet werde“ so). Gegenwärtig würden jedoch in Triest Begriffe wie Freihafen und Freiheit willkürlich und, wie Graf Seilern vermerkte, sehr zum Schaden des allgemeinen Kredites des Platzes ausgelegt. Nur 47) Ebenda fol. 485—485 v: „Si ponga nel primitivo suo negletto vigore la prescrizione del § 3, Art. 1. Part. I. del Regol amento de Falliti. Si ordini sotto rigorose pene ä Negozianti, che hanno da se esposte Dite e aperte Case di Commercio, ä doversi, a norma della Legge, legittimare entro un termine da prescriversi, si puniscono, ed in caso di renitenza non si tollerino nella Piazza li disubbidienti Contrafattori, ed in pochi giorni sara a notizia di Ciascheduno; quella notabile distinzione, che passa trá un immatricolato publico Negoziante, e le altre Persone addette al Commercio, quindi non sara, come suppone la Borsa Mercantile, inoperosa la Legge per la mancanza di si fatta distinzione, ma la distinzione verrä da se medesima tosto, che si operi secondo il rigore della Legge, che non consiste giä: come s’immagina la Borsa suppone il Ces°. Reg0 Governo: / nella privazione dei Privilegio del Foro Mercantile, ö deli’ accesso alia Borsa, mä in quelle penali, che secondo le circostanze, il Tribunal Cambio Mercantile troverä opportuno di prescrivere a presente suo arbitrio ...“. 4S) Ebenda fol. 498 v. 49) Ebenda fol. 459. 50) Ebenda fol. 459 v.