Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

GASSER, Peter: Triestiner Handel vor 1790. „Corpo Mercantile“, die Anfänge der Handelsbörse und die Opposition Fiumes

Triestiner Handel vor 1790 265 19. Jänner 1758 ohnehin schon festgehalten war. Dieses an und für sich unwe­sentliche Detail sei hier nur zur Illustration der selbst unter den Spitzen des corpo mercantile herrschenden Oberflächlichkeit erwähnt. Einbegleitet wurden die am 26. August 1786 vom Gubernium an die zweite Merkantilgerichtsinstanz übermittelten Ausführungen Gabbiatis von einem Bericht des Gubernialrats Pasquale Freiherrn von Ricci43). Dieser erklärte einleitend, daß die von dem Giudizio Civico Provinciale in seiner Note vom 10. Jänner 1786 aufgeworfenen Fragen auf die Fixierung der beiden Begriffe Handlung (Ditta) und Großhändler (Negoziante all’ingrosse) hinausliefen und durch eine klare Definition dieser beiden termini technici eo ipso geklärt und mithin gelöst werden könnten 44). Ohne die unerläßlichen Elemente — Gesellschafter und Handlungsname (scritta mercantile) — könne, wie Ricci anführt, von einer Handlung (Ditta o accomandita) niemals gesprochen werden. Es dürfe daher auf keinen Fall eine Einzelperson (Individuo), mag sie noch so kapitalskräftig sein und auf eigene Kosten und unter Absendung von Erinnerungsbriefen noch so ausgedehnte Handelsoperationen tätigen, einer Handlung (Ditta) gleichgesetzt werden. Der Gubernialrat behauptete nach näherer Erläuterung der zwischen einer gewöhnli­chen Ditta (Handlung) und einer Accomandita bestehenden Unterschiede, daß die Handlung- und Falliten- bzw. Gerichtsordnung vom Jahre 1758 nicht sosehr der Ditta, als vielmehr dem einzelnen Großhändler das Privilegium Fori und die Börsefähigkeit (accesso alia borsa) eingeräumt habe. Eine gesetzliche Verpflich­tung, sich dieser beiden Privilegia zu bedienen, bestünde nach Ricci jedoch nicht. Es hätten daher einige Großhändler, nach erfolgter Anmeldung ihrer Kapitalien beim Merkantilgericht, von der ihnen zustehenden Börsefähigkeit keinen Gebrauch gemacht, und andere hingegen, da sie ihren Fundus nicht bekanntgegeben, auf den Genuß des Privilegium Fori verzichtet. Der katego­rische Zwang zur Deklarierung der Betriebskapitalien oder der persönlichen Vermögensverhältnisse überhaupt verstieß, auch nach Riccis Überzeugung, gegen die Bestimmungen des Freihafenpatentes, die einem jeden die Zu- und Abwanderung, sowie jedwede Art der Handelsbetätigung ohne Überprüfung sei­ner finanziellen Verhältnisse gestattete45). Die Forderung des Giudizio civico 43) AVA Hojakten Ricci 1766 und 1776. — Der aus dem Litorale stammen­de Pasquale Ricci, seit 1752 Rat bei der Intendenza, in der Folge Präsident des Merkantilgerichts erster Instanz und Gubernialrat, war die profilierteste Persönlichkeit unter der lokalen österreichischen Beamtenschaft. Situation und Möglichkeiten Triests waren von ihm, wie von wenigen sonst, erkannt worden. Die Stellungnahme zu merkantilmaritimen und sonstigen Fragen hat Pasquale Ricci in seinen berühmt gewordenen Riflessioni niedergelegt. Groß waren auch seine Verdienste um das Seesanitätswesen. Er erkannte auch als erster so richtig die Bedeutung der eingewanderten Griechen, deren Zustrom er stets förderte, für die maritimmerkantile, nach der Levante ausgerichtete Zukunft Triests. Seiner Meriten wegen war er am 12. Mai 1766 in den Adelstand und am 10. August 1776 in den Freiherrnstand erhoben worden; siehe auch Wurz- b a c h 26 (1874) 23. 44) HKA Lit. Commerz 617 (rot) fol. 490: „Tutte le Questioni promosse dali Inclito Giudizio Civico-Provinciale, quale Tribunale di Cambio di Appellazione nella prima sua Informazione de 10. Genajo si concentrano, e sono risolte dal Significato e Definizione delle due Voci Ditta e Negoziante all’ingrosse ...“. 45) Ebenda fol. 492: „L’Estensione presuposta dall’Inclito Giudizio Civico- Provinciale quäl Tribunale di Cambio di seconda Istanza, ... repugnerebbe alle

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