Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

GASSER, Peter: Triestiner Handel vor 1790. „Corpo Mercantile“, die Anfänge der Handelsbörse und die Opposition Fiumes

264 Peter Gasser Unter Beteuerung, in den wesentlichsten Punkten mit dem in der Note vom 10. Jänner 1786 Vorgebrachten übereinzustimmen, erhob auch er die Forderung, daß sich niemand, ohne hinreichend Geschäftspraxis und Kapital zu besitzen, allein nur durch Versendung der lettere oblatorie als öffentlich berechtigter Handelsmann deklarieren dürfe. Die Insinuation beim Merkantilgericht betrach­tete auch Gabbiati, vor allem bei Handelsgesellschaften zur Sicherstellung allfälliger Gläubiger, als conditio sine qua non. Nur nach erfolgter Insinuation oder Immatrikulierung, die die Offenbarung ihrer Vermögensverhältnisse in sich schloß, sollten, seiner Meinung nach, Händler als „publici Negozianti“ in den Genuß des Privilegium Fori gelangen. Diese Erklärungen schwächte und entwertete der Deputierte im weiteren Verlauf seiner Ausführungen. So bestün­de zwischen den auch von ihm als notwendig und nützlich empfundenen Ver­ordnungen des Jahres 1758 und den im Freihafenprivileg verkündeten Bestim­mungen insoferne doch ein Widerspruch, als auf Grund des letzteren es nicht nur einem publico Negoziante, sondern einem jeden freistünde, seine Dienste, wenn schon nicht durch Aussendung gedruckter Offerte, so doch wenigstens auf dem Wege einer normalen geschäftlichen Korrespondenz anzutragen '*»). Unter Berufung auf das Freihafenprivileg hätten, wie er berichtete, nicht nur einzelne Großhändler, sondern auch routinierte, kapitalskräftige Geschäftshäuser die An­meldung beim Merkantilgericht als eine Schikane empfunden und daher unter­lassen * 40 41). Solange eine unterschiedliche Behandlung zwischen den publici Ne­gozianti und den nichtimmatrikulierten Geschäftsleuten gesetzlich nicht fest­gelegt werde, gäbe es, nach Gabbiati, keine befriedigende Lösung42). Dieses letzte von dem Börsensprecher vorgebrachte Argument stand nun seinerseits wieder im Widerspruch zu dem auch von ihm, Gabbiati, selbst als grund­sätzlich bindend angesehenen Freihafenprivileg, das weder eine unterschiedliche Behandlung einzelner Kaufleute kannte, und noch viel weniger der einen oder andern Gruppe ein bestimmtes Betätigungsfeld vorschrieb. Womit bewiesen erscheint, daß Gabbiati und Konsorten aus dem circulus vitiosus entweder nicht heraustreten wollten oder konnten. Schließlich forderte der Aktuar, daß jeder Streitfall zwischen Handwerkern, Krämern und Großkaufleuten nur vor dem Merkantilgericht verhandelt werden sollte, was in den Verordnungen vom Triestiner Geschäftsleben einen bedeutenden Einfluß aus. Seine Kenntnisse des Handelsrechts und des Versicherungswesens waren in Wien, obzwar der von ihm diesbezüglich vertretene Standpunkt sich nicht immer mit den Auffassun­gen der Obersten Justizstelle deckte, unbestritten. Gabbiati, der die Freizeit seiner reichhaltigen Bibliothek sowie botanischen Studien widmete, hat auch zahlreiche juridische Abhandlungen wie u. a. Scrittura e Stampe per la Camera Mercantile di Trieste contro li Riassicuratori di Livorno und die 1785 erschie­nene Schrift Progetto di Legislazione circa le Assicurazioni Maritime veröffent­licht; Constant v. Wurzbach Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oester­reich 5 (Wien 1858) 45. 40) HKA Lit. Commerz 617 (rot) fol. 468 v: „...di negoziare come li pubb- lici Negozianti, e di ofrire la loro Servitü se non per oblatorie stampate, almeno in corrispondenza Mercantile .. 41) Ebenda fol. 471: „Deve perö osservarsi ulterioramente, che l’obbligo delle Insinuazioni e propallazioni de Capitali, potrebbe oggi giorno riuscir onerosa, e pregiudiciale al Credito di qualche Individuo, che sebbene giammai Insinuato al Tribunale non pertan to da molti Anni negozia in questa Piazza ...“. 42) Ebenda fol. 468 v: „... finché non si introduca una notabile distinzione d’Interesse fra i pubblici Negozianti, e le altre persone addette al Commer­cio ...“.

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