Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)
GASSER, Peter: Triestiner Handel vor 1790. „Corpo Mercantile“, die Anfänge der Handelsbörse und die Opposition Fiumes
Triestiner Handel vor 1790 261 Die neue Gerichtsordnung gelte, so verkündete das Patent, nur für Geschäftsunternehmungen, die „all’ingrosso Handel und Wandel treiben wollen, und der Börse fähig“ wären, wobei aber die letztere auf die Börsefähigkeit sich beziehende Bestimmung in einem dahingehend modifiziert wurde, daß auch ein nicht börsenmäßiger, jedoch beim Merkantilgericht ordnungsgemäß angemeldeter Großhändler das Privilegium Fori und das Vorrecht, daß seinen Geschäftsbüchern die „halbständige Probe“ zugestanden werde, besitzen sollte 33). Geschäftsbüchern gutbeleumdeter Kaufleute gestanden die Merkantilgerichte die halbständige Probe oder halbe Beweiskraft (semipiena oder semicompleta prova) nur dann zu, wenn die Eintragungen durch die betreffenden Händler selbst oder von „einem absonderlich hierzu gehaltenen Vertrauten der Handlungs-Bücher verständigen Bedienten“ vorgenommen und nicht „von unterschiedlichen Händen zu einer Zeit geschrieben..waren 3i). Die volle Beweiskraft war nur in Verbindung mit dem Erfüllungseid gegeben, den der Kaufmann allfällig zu leisten genötigt werden konnte. Was das Privilegium Fori d. h. in diesem Falle das Recht, ihre Streitfälle nur vor dem Merkantilgericht auszutragen, betraf, so sollte diese Begünstigung nur den Großhändlern, den börsenmäßigen Kaufleuten und jenen Fabrikanten, die auf Grund „ihrer dem Publico et commercio nützlichen Manufacturen“ ein landesfürstliches Schutzdekret erhalten hatten, nicht aber Krämern und Leuten „die pfund und ellenweiss verkaufen“ eingeräumt werden 35). Für letztere blieb das „foro ordinario“, in Triest das Stadtgericht, auch weiterhin zuständig. Streitfälle zwischen Groß- und Kleinhändlern wurden, wer auch immer Kläger oder Beklagter sein mochte, nur vor dem Merkantilgericht abgehandelt, und dies mit der Begründung, daß man „favore commercio“ dem Kläger auch in solchen „von dem Handel all’ingrosso herrührenden Fällen impacht, des sonst zu folgen habenden fori rei das forum mercantile nicht benehmen, sondern derley Klagen, privilegio causae, dahingezogen“ haben wolle 36). Die allein über hundert Druckseiten umfassende und durch die am gleichen Tage erlassene neue Gerichtsordnung für das Litorale auch sinngemäß ergänzte Handlungs- und Fallitenordnung vom 19. Jänner 1758 hätte, da sie nahezu auf jede aus dem merkantilen Bereich sich ergebende Frage in ausführlicher Weise einging, ohne weiters allen gutgewillten Beteiligten künftighin als Richtschnur dienen können. Voraussetzung dafür war allerdings die klaglose Zusammenarbeit des Merkantilgerichtes mit der Intendenza bzw. deren Nachfolger, dem Gubernium. Ob diese wünschenswerte Harmonie in den unmittelbar folgenden Jahren auch in der Tat bestanden hat, bleibt, da in den Akten diesbezügliche Hinweise fehlen, unbekannt. Doch könnte man die Einhaltung der in den Patenten vom 19. Jänner 1758 enthaltenen Bestimmungen durch die Kaufleute zu- 33 34 35 36 33) Ebenda § 7. 34) Ebenda I. Teil, Art. 5: „Es redet aber die Billigkeit für sich selbsten, daß solcher Vortheil Kraft, und Zutrauen nur jenen Handlungs-Büchern bey- zulegen seye, welche von ehrlich, redlichen Kaufleuten gefüret werden ... Daß der Handelsmann, der sie gehalten von guten Ruf, und Leymuth, id est bonae famae, & approbatae vitae seye .. 35) AVA Patent vom 19. Jänner 1758, Gerichtsordnung für das Litorale I. Abt., § 15. 36) Ebenda.