Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)
NECK, Rudolf: Sammelreferat. Zeitgeschichte
Rezensionen 441 Biographien Guillaume de Bertier de Sauvigny, Metternich et la France aprés le Congrés de Vienne. Band 1: De Napoléon ä Decazes 1815/20. (Biblio- théque des recherches historiques et littéraires.) Librairie Hachette, Paris 1968. 274 S. Während es im Augenblick des Erscheinens von Srbiks Metternich- Biographie vor 45 bzw. 16 Jahren den Anschein hatte, als wäre damit ein letztes Wort gesprochen worden, haben sie die in den letzten Jahren zahlreich erschienenen Einzeluntersuchungen (vgl. diese Zeitschrift Bd. 16, 1963, S. 508 ff und Bd. 21, 1968, S. 478 ff) gerade im Gegenteil als Ansatzpunkt einer eingehenden wissenschaftlichen Beschäftigung mit Leben und Werk des österreichischen Staatsmannes erwiesen, als deren Fernziel sich eine neue umfassende Biographie abzuzeichnen beginnt. Für die bisher wenig beachtete französische Politik des Staatskanzlers unternimmt es nun B. de Sauvigny, ein eindrucksvolles Bild des diplomatischen Wechselspiels zu entwerfen, das ebenso dem vertieften Verständnis der Epoche der Restauration wie der besseren Kenntnis von Metternichs Haltung ihren leitenden Männern gegenüber dienen soll. Verschiedene Vorarbeiten zum gleichen Themenkreis haben bereits die hervorragende Qualifikation des Autors für eine solche Aufgabe erwiesen, zu deren Durchführung im vorliegenden Fall durch ausgedehnte Studien in London, Paris, Prag und Wien die breitestmögliche archivalische Grundlage angestrebt wurde. Im vorliegenden ersten Band, der den Zeitraum bis zum Sturz des Ministeriums Decazes (1820) umspannt, geht es vor allem um das Problem der Eingliederung Frankreichs in das Konzert der europäischen Mächte nach dem endgültigen Sieg über Napoleon, dessen Herrschaft der hundert Tage im einleitenden ersten Kapitel (S. 13—40) eine höchst anregende und geradezu spannende Schilderung der verschiedenen Kontaktversuche zwischen den beiden Staaten gewidmet ist, die ihren Höhepunkt in der „Verwechslungskomödie“ von Basel gefunden hat (S. 20 ff), bei der man nicht recht weiß, wer nun eigentlich der Gefoppte gewesen ist, Napoleon, Fouché oder Metternich. Hat es sich dabei wirklich nur um ein Manöver von österreichischer Seite gehandelt, oder standen ernstere Absichten als Möglichkeit im Hintergrund? Man wird es wohl nie mehr erfahren, ebensowenig wie die Bedeutung, die Metternich den Chancen einer Regentschaft in Frankreich für den Sohn Napoleons beigemessen hat. Denn trotz seiner betont uninteressierten Äußerungen hegte das Ministerium Richelieus noch 1818 den Verdacht, daß man in Wien an eine solche Möglichkeit denke (S. 178). Erst mit der Entsendung des Marquis de Caraman nach Wien im Juli 1816 (S. 91 ff) kann von einer echten und völligen Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Paris und Wien die Rede sein, die anfangs allerdings noch von der unwillkürlichen Spannung zwischen Besiegtem und Sieger beeinträchtigt wurden, aber auch von der nicht völlig zuverlässigen Haltung Metternichs Ludwig XVIII. gegenüber während und nach der Herrschaft der hundert Tage und von den Relikten der napoleonischen Dynastie, vor allem der Herrschaft Marie Louises in