Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)
MARX, Julius: Die amtlichen Verbotslisten. Eine Ergänzung
386 Julius Marx Schriften. Ab Jänner 1808 tritt noch ein dritter Teil hinzu: Verzeichnis der zum Druck oder Nachdruck nicht zugelassenen Handschriften und Bücher 5 6). Die wenig bekannte Zensurvorschrift von 1803, die Nagler bringt, behauptet im § 16, das „Dezisum nec erga schedam“ sei außer Übung °). Unsere Listen erweisen jedoch das Gegenteil: nur 15 Verzeichnisse enthalten keinen solchen Entscheid, während die übrigen bis Dezember 1807 gleich 67 aufweisen7). Dem Kaiser lag das Schedenverbot so sehr am Herzen, daß er in der Zeit der Franzosenkriege die Bezugserlaubnis an sich zog, also selbst als Zensor auftrat. Nur schwer entschloß er sich, sie wieder der Polizeihofstelle zu überlassen. Noch in der neuen Zensurinstruktion vom 14. September 1810 verlangte er (§ 15), daß ihm vierteljährlich die Listen der Bezieher verbotener Bücher vorzulegen seien. Die Bewilligung bei „nec erga schedam“ behielt er sich auch dann noch vor. Die Polizeihofstelle ihrerseits verfügte, daß Bitten um solche Scheden unmittelbar bei ihr einzureichen seien 8). Ansonsten durften die Landesstellen Scheden ohneweiters ausgeben, wenn die Werke schon in den Verbotslisten verzeichnet waren. Wenn wir nun den Inhalt des Folianten 2029 prüfen, so zeigt es sich, daß die Schedenverweigerungen vor allem zeitgeschichtliche Schriften betrafen, vorzugsweise solche, die sich mit dem französischen Hof, der Revolution oder mit Napoleon befaßten; nur vereinzelt finden sich andere Werke, etwa Langbeins Humoristische Erzählungen (März 1806). Von der Zeitschrift Nordische Miszellen, die in Hamburg herauskam, fiel zunächst das 2. Heft des 2. Bandes unter Schedenverbot (Okt. 1804), zum 3. und 4. Heft (Jänner 1805) heißt es kurz und bündig: „Und ist dieses Journal außer Kurs gesetzet und nicht mehr in die Censur einzuleiten.“ Österreichische Verhältnisse behandelten Kurzer Bericht von der Beschaffenheit der zerstreuten zahlreichen Illyrischen Nation in den k. k. Erblanden, Frankfurt—Leipzig 1802 (Juni 1802), sowie Adresse des österreichischen Volkes an die Minister und Räthe S. M. Franz 11. im November 1805 (April 1806), ferner Sinn und Herzmann oder wer herrscht jetzt in Österreich?, 1809 (Dez. 1809). Wie der modernen Sexwelle entsprungen muten an Minna oder die Philosophie eines Freudenmädchens, Frankfurt—Leipzig 1793 (Mai 1803), Fr. Gr. Laukhart Loritta Donatini oder Gefühle einer 5) Vom Juni bis Dezember 1809 ist nur dieser 3. Teil vorhanden, während die anderen fehlen. — Kleinere Änderungen der Titel aller Teüe sind festzustellen. 6) Heribert Nagler Regierung, Publizistik und öffentliche Meinung in den Jahren 1809—1815 in Österreich (ungedr. Wiener phil. Dissertation 1926) Anhang I ff. — „(Damnatur) nec erga schedam“ bedeutet, daß auf solche Schriften keine Scheden ausgegeben werden durften; vgl. Julius Marx Vormärzliches Schedenwesen in MÖStA 16 (1963) 453, 455, 457. 7) Die Zahl dieser Verbote betrug im 2. Halbjahr 1802 23, in den Jahren 1803 9, 1804 19, 1805 5, 1806 7, 1807 4; 1808 und 1809 (nur 1. Halbjahr vorhanden) findet sich keines. 8) J. Marx Österreichs Kampf gegen die liberalen, radikalen und kommunistischen Schriften 1835—1848 in AÖG 128/1 (1969) 13 ff, 95.