Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)

STAUDINGER, Anton: Bemühungen Carl Vaugoins um Suprematie der Christlichsozialen Partei in Österreich (1930–33)

298 Anton Staudinger mit der Christlichsozialen Partei, wenngleich der Wehrbund in seinen Statuten sich von allen parteipolitischen Bestrebungen zu distanzieren vorgab. In welcher Weise der Wehrbund dann Zielen der Christlichsozia­len Partei zu dienen hatte, zeigt die vom 31. Mai 1922 bis 21. September 1933 ununterbrochen7) dauernde Ministerschaft Vaugoins im Heeres­ressort, der den Wehrbund zu seinem wichtigsten Instrument für die Verdrängung der sozialdemokratischen oder mit der Sozialdemokratischen Partei sympathisierenden Soldaten aus dem Bundesheer machte. Für die Verstärkung des anfangs — trotz der Förderung durch den Heeresminister — zahlenmäßig schwachen Wehrbundes bot sich Vaugoin als wirksamste Maßnahme die Berücksichtigung der politischen Gesinnung bei der Aufnahme in das Bundesheer und bei der Entlassung aus dem Heer an. Da der Heeresminister gemäß dem Wehrgesetz 8) jede Aufnahme eines Bewerbers in den Heeresverband bestätigen mußte, und diese Bestätigung in seinem freien Ermessen lag, konnten durch ein weitverzweigtes Befür­wortungssystem, an dem Ortspfarrer, christlichsoziale Mandatare, Wehr­bundmitglieder oder der Christlichsozialen Partei nahestehende Personen mitwirkten9), eventuelle Militärverbandwähler von der Aufnahme in das Bundesheer weitgehend ausgeschaltet werden. Um die vom Minister bestätigten Wehrmänner enger an den Wehrbund zu binden, wurden diese noch vor der amtlichen Einberufung von der Aufnahme verständigt und für das Eintreffen in der Kaserne an einen „Kameraden“ des Wehrbundes verwiesen, der „bei allem an die Hand gehen“ würde 10 *). Von den Abbaumaßnahmen n) wurden dann in erster Linie Sozial­demokraten und die dem Einflußbereich der Sozialdemokratischen Partei zugerechneten Wehrmänner und Offiziere betroffen 12), deren prominen­testes Opfer 1924 Theodor Körner war13). Zwar gelang es der Sozial­demokratischen Partei, 1924 mit Vaugoin ein Übereinkommen zu treffen, das ihr ein Vorschlagsrecht für einen minimalen Prozentsatz der Neuan­werbungen und Weiterverpflichtungen einräumte 14), dieses Zugeständnis 7) Vom 28. April 1921 bis 7. Oktober 1921 war Vaugoin zum ersten Mal Bundesminister für Heereswesen. 8) österreichisches Wehrgesetz § 13 Abs. 1 — BGBl. 122 vom 18. März 1920. 9) Siehe dazu Anton Staudinger Bemühungen Carl Vaugoins um Su­prematie der Christlichsozialen Partei in Österreich 1930—1933 (phil. Diss. Wien 1969) 193 f. 10) österreichisches Staatsarchiv / Kriegsarchiv (weiterhin: KA) Bundesheer (weiterhin: BH) Ständige Parlamentskommission / Sozialdemokratische Partei 242/1931. u) Vgl. dazu Österreichs Bundesheer, hg. v. Bundesministerium für Heeres­wesen (Wien o. J.) 68 ff. 12) Haas Wehrpolitik 149 ff. ls) Jedlicka Heer 64 ff. — Zu den Differenzen zwischen Vaugoin und Körner siehe auch Haas Wehrpolitik 151 ff. 14) Haas Wehrpolitik 157 ff.

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