Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)
BENNA, Anna Hedwig: Von der erzherzoglichen Durchlaucht zur kaiserlichen Hoheit. Eine Titelstudie
Von der erzherzoglichen Durchlaucht zur kaiserlichen Hoheit 17 wurde. Der Erzherzog empfing Villars stehend und bedeckten Hauptes, er ging ihm nicht, wie bei den Audienzen von Kardinalen und Botschaftern bei Erzherzogen früher üblich, auf zwei Schritte entgegen, rückte aber bei Nennung des Namens des Königs von Frankreich seinen Hut94). Die in Frankreich übliche Gepflogenheit, daß die princes de sang sitzend und bedeckten Hauptes wie der König von Frankreich selbst Audienzen erteilten 95 *), setzte sich in Wien nicht durch. Auf Grund des Präzedenzfalles vor einem halben Jahrhundert gedachte man das Zeremoniell bei dem ältesten Sohn des Kaiserpaares und später auch bei den übrigen Erzherzogen und Erzherzoginnen mit dem der französischen und spanischen Prinzen zu parifizieren90). Bestimmend für diese Absicht war, wie zur Zeit Leopolds I., wo es allerdings wegen der bald darauf erfolgenden Deklarierung des Erzherzogs Karl zum König von Spanien zu keinen Änderungen in Rang und Zeremoniell kam, die unleugbare Tatsache, daß die Erzherzoge nicht nur von römischen Königen und Kaisern, sondern auch von Königen von Spanien, Ungarn und Böhmen abstammten und daher auch geborene königliche Prinzen von Ungarn und Böhmen waren 97). Für den Verlauf künftiger Audienzen von Kardinälen, Botschaftern und Gesandten beim Erzherzog Joseph stellte die Audienz Villars bei Erzherzog Karl das Modell mit der bisher am Wiener Hof nicht üblichen Sitte des Lüftens des Hutes durch den unter einem Baldachin stehenden Erzherzog bei Nennung des Namens des Königs von Frankreich dar 98). Da man bei Hof nicht sicher war, ob die von dem neuen Zeremoniell Betroffenen auch gewillt waren, Audienzen in dieser von den bisherigen Gepflogenheiten des Wiener Hofes abweichenden Form zu nehmen, ging man auftretenden Schwierigkeiten dadurch aus dem Weg, daß man die Audienzwerber nicht eher zur Audienz beim Kaiserpaar zuließ, bevor sie nicht zugestimmt hatten, die Audienz beim ältesten Erzherzog in der ihnen mitgeteilten bestimmten Art und Weise zu nehmen "). Als erster nahm der maltesische Gesandte Anton Graf von 94) Zur Audienz Villars bei Erzherzog Karl am 21. März 1700 vgl. HHStA Hofzeremonialprotokoll n. 0 fol. 34 r—35 r; Ältere Zeremonialakten Kart. 19: 1699 Jänner 28; Frankreich Varia Kart. 8: 1699 Februar 20. — Vgl. oben Anm. 93; Ältere Zeremonialakten Kart. 47: Nota das caeremoniale die audien- zen derer fremden ministros und gesandten betreffend. 9>) Vgl. oben Anm. 93. »«) Khevenhüller-Schlitter Tagebücher Khevenhüller Jg. 1745 bis 49, 530. 97) HHStA Ältere Zeremonialakten Kart. 47: Referat des Obersthofmeisteramtes an Kaiser Franz I., 1749 Februar 20; vgl, oben Anm. 93. ") HHStA Ältere Zeremonialakten Kart. 47: Referat des Obersthofmeisteramtes an Kaiser Franz I., 1749 Februar 20. Eigenhändige Resolution Kaiser Franz I.: „... wegen des hutrückens, wan der son vier audientzen gibt, soll der den hut unter dem arm haben“; vgl. oben Anm. 94. ") Khevenhüller-Schlitter Tagebücher Khevenhüller Jg. 1745 bis 49, 531, 532. Mitteilungen, Band 23 2