Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)
BENNA, Anna Hedwig: Von der erzherzoglichen Durchlaucht zur kaiserlichen Hoheit. Eine Titelstudie
Anna Hedwig Benna 16 Audienz und dann bei der Kaiserin. Maria Theresia, selbst souveräne Königin und Landesfürstin, empfing, wie ihr Gemahl, die Botschafter und Gesandten als König und nicht als Kaiserin zuerst in privater und einige Tage darauf in öffentlicher Audienz. Bei den nichtregierenden Gemahlinnen der Kaiser hatte die Audienz der Botschafter und Gesandten unmittelbar im Anschluß an die Audienz beim Kaiser auf der Frauenseite stattgefunden 90). Als der älteste Sohn des Kaiserpaares, der 1741 geborene Erzherzog Joseph, das siebente Lebensjahr überschritten hatte, war für ihn den Gepflogenheiten des Hauses entsprechend der Zeitpunkt für die Errichtung eines männlichen Hofstaates und für seinen Eintritt in das öffentliche Zeremoniell gekommen91). Fast ein halbes Jahrhundert war vergangen, seit Kaiser Leopolds I. jüngerer Sohn Karl, der wenige Jahre darauf zum König von Spanien deklariert worden war, sich in einer ähnlichen Situation befunden hatte. Das Studium der Zeremonialakten aus der Zeit Kaiser Leopolds I. ergab, daß dieser, als Schwierigkeiten anläßlich einer Audienz des französischen Gesandten Villars bei Erzherzog Karl 1700 entstanden92 *), die Einrichtung des Zeremoniells für den Erzherzog auf gleichem Fuß wie bei den französischen Prinzen und spanischen Infanten angeordnet hatte 9:!). Bei dieser Anordnung Leopolds I., die nicht zur Ausführung gelangte, spielte die Erwägung, die Erzherzoge stammten von vielen römischen Kaisern und Königen von Spanien ab und seien geborene königliche Prinzen von Böhmen und Ungarn, eine nicht geringe Rolle. Das am Wiener Hof bisher übliche Zeremoniell bei der Audienz eines Botschafters oder Gesandten bei einem Erzherzog erfuhr anläßlich der Audienz Villars bei Erzherzog Karl am 22. März 1700 insoferne eine Änderung, als die französische Sitte des Hutrückens in Wien rezipiert 90) HHStA Ältere Zeremonialakten Kart. 47: Referat des Obersthofmeisteramtes an Maria Theresia, 1749 Februar 10; eigenhändige Resolution Maria Theresias: „... wegen meiner placet, das selben als könig nicht als kayserin empfange.“ 91) HHStA Ältere Zeremonialakten Kart. 47: Referat des Obersthofmeisteramtes, 1749 Februar 12; vgl. Arneth Geschichte Maria Theresias 7, 158; Khevenhüller-Schlitter Tagebücher Khevenhüller Jg. 1745—49, 288, 530 Anm. 536; Waltraud Högl Bartenstein als Erzieher Josephs II. (Phil. Diss. Wien 1959) 18. 92) Claude Hector Louis Marquis (später Duc) de Villars (1653—1734), in diplomatischer Mission in Wien 1698—1701. Vgl. Repertorium der dipl. Vertreter 1 (1936) 214; zum Zwischenfall mit Villars vgl. Braubach Prinz Eugen 1, 289. 9») HHStA Ältere Zeremonialakten Kart. 53: Akten über die Errichtung des Hofstaates für Erzherzog Joseph. Puncta deliberanda über die allergnädigst anbefohlene hof-staats-einrichtung des durchlauchtigsten ertzhertzogen und königlichen cron printzens Josephi und das alsdann mit höchst deroselben zu beobachtende ceremóniáié betreffend. Auskünfften und erläuterungen über nebenstehende puncta deliberanda aus denen hof protocollis und hof controlor amts schrifften 7.