Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)

COONS, Ronald E.: Das Dampfschiff als diplomatisches Mittel: Österreich und die englisch-ostindische Post 1842–1848

178 Ronald E. Coons Abschluß eines kuriosen Unternehmens, das ein Jahrzehnt die österrei­chischen Hoffnungen erregte. Bis 1914 lief die Expreßpost weiterhin durch Frankreich 112). Unter Berücksichtigung dieser Resultate muß der österreichische Ver­such, während der 40er Jahre eine mitteleuropäische Route für die englisch-ostindische Post zu errichten, als ein anerkennenswertes Unter­fangen, jedoch als kompletter Mißerfolg gewertet werden. Nichtsdesto­weniger verdient das Unternehmen die besondere Aufmerksamkeit des Historikers, da es zeigt, daß die österreichische Regierung kurz vor dem Ende des Vormärz viel geneigter war, Neuerungen anzunehmen, als es zeitgenössische Kritiker zugeben wollten. Obwohl Metternich, Ottenfels und Kübeck Konservative waren, waren sie keine hoffnungslosen Reak­tionäre, die über jede Form des Fortschritts entsetzt waren. Ganz im Gegenteil: als die Zentralverwaltung in Wien einer Umwälzung der See­verbindungen gegenüberstand, trachtete sie sich dahingehend zu ver­sichern, daß die Monarchie eine leitende Stellung als wirtschaftliche See­macht im östlichen Mittelmeer einnehmen würde. Überdies verstand Metternichs Staatskanzlei, wie die vorhergehenden Ausführungen zeig­ten, nicht nur die wirtschaftliche und kaufmännische Bedeutung des Lloyd, sondern erkannte schnell sein Potential als nützliches Werk­zeug in der Diplomatie. Noch wichtiger aber ist, daß das Interesse an der Indischen Post und die in den Verhandlungen mit den Engländern an­gewandten Methoden auf einen hohen Grad an Beweglichkeit und Experi­mentierfreude in der Politik des alternden Staatskanzlers hindeuten. Seine Einstellung regt durchaus dazu an, eine nochmalige Bewertung seiner Außenpolitik im letzten Jahrzehnt vorzunehmen; nur dann wird es möglich sein, die Verhandlungen mit den Engländern ins rechte Licht zu rücken. Soviel aber ist auf Grund der zur Verfügung stehenden Berichte sicher: zwischen 1842 und 1848 suchte die Staatskanzlei, die Sorge Eng­lands über seine Verbindungen mit Indien in einem erfinderischen, wenn 112) Dies geschah aber nicht ohne Abänderungen, wie aus einem im Jahre 1902 erstatteten Bericht über die damaligen Postverbindungen zwischen Eng­land und Indien zu entnehmen ist: „Diese bereits seit dem Jahre 1839 existie­rende Post wurde von den Engländern zum Zwecke des raschen Verkehres mit den indischen und australischen Colonien ins Leben gerufen. Für die Beförde­rung nach Ägypten, China, Japan, Australien und der Ostküste Afrikas durch den Suezkanal sah sich die englische Postverwaltung genöthigt, ihre Sendungen über den europäischen Continent zu dirigiren. Als kürzester und zugleich mit den geringsten sonstigen Schwierigkeiten verbundener Weg nach Brindisi, als dem Ausgangspunkt der nach Indo-China abgehenden englischen Paketboote erwies sich der durch Frankreich. Die in London gesammelte Post geht mittels Special-Paketboot nach Calais, von dort mit Eisenbahn nach Paris, dann weiter auf der Lyoner Bahn über Modane... und Italien, die ganze Appeninische Halbinsel entlang nach Brindisi.“ Die indische Post in Zeitschrift für Post und Telegraphie 9 (1902) 277.

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