Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)
COONS, Ronald E.: Das Dampfschiff als diplomatisches Mittel: Österreich und die englisch-ostindische Post 1842–1848
172 Ronald E. Coons hindern wünschte: das englische Außenministerium war nun in direkter Verbindung mit der Staatskanzlei. Noch schlimmer, Ponsonby wurde angewiesen, ein Ultimatum zu stellen. Metternich hätte eine Annahme der englischen Forderungen vorgezogen. Er und sein für wirtschaftliche Angelegenheiten zuständiger Ratgeber Karl von Hummelauer waren Diplomaten, die die Situation in erster Linie aus politischer Sicht sahen, ohne viel an technische oder bürokratische Erwägungen zu denken. Seit 1838 hatte die Staatskanzlei versucht, die Indische Post als Stärkungsmittel für die englisch-österreichische Freundschaft zu verwenden. Dieses Ziel allein berechtigte dazu, Palmerstons Forderungen anzunehmen. Die politischen Erfolge waren nicht weniger anziehend als die zu erwartenden wirtschaftlichen Vorteile. Sobald London einmal seine Post nach Asien durch Österreich senden würde, würde Handel- und Reiseverkehr zwischen dem fortschrittlichsten Industriestaat der Welt und dessen wichtigsten Kolonien derselben Route folgen und dieserart den Triester Hafen und die Monarchie bereichern. Das war noch nicht alles. In einem Memorandum vom 8. Juli 1846 an Metternich prophezeite Hummelauer, daß Triest, durch eine direkte Eisenbahnlinie mit Süddeutschland verbunden, die wirtschaftlichen Interessen von Bayern, Baden und Württemberg, die gegenwärtig auf Hamburg, die baltischen Häfen und den Zollverein gerichtet waren, auf die Adria ziehen würde 88). Überdies mußten Metternich und Hummelauer die Gefahren in Betracht ziehen, in die sie liefen, falls sich Österreich weigern sollte, eine Eisenbahnlinie nach Salzburg zu bauen. Bereits im August 1846 sprach der tatkräftige Waghorn von einem Hafen der adriatischen Küste des Königreichs beider Sizilien als möglichem Einlaufshafen der Indischen Post 89). Anfang November traf er in Neapel ein, um König Ferdinand II. den Plan einer Eisenbahnlinie von Brindisi nach Verona zu unterbreiten 90). Kurz darauf schrieb Ponsonby an Metternich, die englische Regierung müsse, falls Österreich Palmerstons Bedingungen zurückweise, „require Lieut. Waghorn to proceed without delay to the prosecution of the measures necessary to establish a line from Brindisi“ 91). Hummelauer gab zu bedenken, daß Waghorns italienischer Plan aufgehalten und die Salzburger Eisenbahn angenommen werden müsse; sonst würde sich die Monarchie später einem anderen, noch ernsteren Ultimatum gegenübersehen. Eine Eisenbahnlinie, von Brindisi nordwärts führend, würde einen Durchgang durch österreichische Gebiete fordern. Österreich blieb dann keine andere Wahl mehr, als die Linie von Verona nach Innsbruck und 88) Hummelauer an Metternich, 8. Juli 1846: HHStA England Korr. 248. 89) Vgl. Gordon an Foreign Office, 17. September 1846: F. O. 7/329. 9«) Temple an Palmerston, 8. November 1846: F. O. 70/208. 9i) Ponsonby an Metternich, 24. Dezember 1846: F. O. 7/329.