Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)
COONS, Ronald E.: Das Dampfschiff als diplomatisches Mittel: Österreich und die englisch-ostindische Post 1842–1848
Das Dampfschiff als diplomatisches Mittel 171 zwischen der Adria und Ostende mit dem Zug zurücklegen konnte83). Vermutlich würden bereits viele, im österreichischen und deutschen Eisenbahnnetz vorhandene Lücken ergänzt worden sein, wenn 1851 die französische Linie vollendet sein werde 84). Der zweite Grund für die Unzufriedenheit in Wien war die Tatsache, daß die Engländer, von ihrer wirtschaftlichen und technischen Überlegenheit überzeugt, nur wenig Vertrauen in die Fähigkeit Österreichs setzten, eine weise Entscheidung im Eisenbahnbau zu treffen. Ohne jegliche Erfahrung in Gebirgseisenbahnen glaubten sie, Österreich, das eine Linie von Triest durch die Berge nach Laibach plante und schon auf der Linie über den Semmering Fortschritte gemacht hatte, Weisungen erteilen zu können. London fiel es schwer zu glauben, daß die Österreicher in solchen Angelegenheiten selbst denken konnten 85 *). Letztlich glaubte Waghorn, Wien würde seinen neuesten Vorschlag annehmen; er überschätzte dabei jedoch den Einfluß, den das erhoffte Postabkommen auf die Entscheidung der Hofkammer ausübte. Es war deshalb enttäuschend, als Baron Kübeck klarmachte, daß er keiner grundlegenden Änderung im Eisenbahnbauprogramm der Monarchie zustimmen könne88). Die bestehenden Pläne sahen keine direkte Linie von Triest nach Salzburg vor. Kübeck blieb unzugänglich und seine Weigerung, Waghorns Gründe anzunehmen, hatte ernstliche Folgen. Denn Waghorn, der sich ohne Wissen oder Zustimmung der englischen Autoritäten mit seinen Eisenbahnplänen zuerst an Österreich gewandt hatte, versuchte nun mit Hilfe der Diplomatie die Hofkammer zum Nachgeben zu zwingen. Nachdem ihm Kübeck den Vorschlag gemacht hatte, London möge eine indirekte Linie von Triest nach Salzburg über Bruck an der Mur akzeptieren, gelang es Waghorn, die Unterstützung Lord Palmerstons für eine direkte Route zu gewinnen. Am 9. Dezember 1846 wies Palmerston den Botschafter in Wien, Lord Ponsonby, an, Metternich klar zu machen, daß „unless the completed line of Railway from Trieste should be carried direct to Bavaria... it would not in any degree answer the purpose for the attainment of which Lieut. Waghorn is now employed“ 87). Waghorn hatte gerade das erreicht, was Metternich zu ver83) Zwölfte General-Versammlung 22. 84) Waghorn konnte natürlich nicht wissen, daß 1851 die Boulogne-Mar- seille-Linie nicht fertig sein würde und daß die Errichtung des wichtigen Teils zwischen Lyon und Avignon zu bauen übrigblieb. 85) Palmerston schrieb an Ponsonby am 8. Februar 1847: „If the Austrian Government... (should) contemplate holding out to any British Capitalists any offer for the purpose of inducing them to undertake any part of the expense... a previous Survey by an English Engineer would be absolutely indispensable, because without it no British Capitalist would embark in such an enterprise.“ F. O. 120/219. 8«) Kübeck an Metternich, 10. Juli 1846: FA 5510/pp ex 1846. 87) Palmerston an Ponsonby, 9. Dezember 1846: F. O. 120/215.