Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)
COONS, Ronald E.: Das Dampfschiff als diplomatisches Mittel: Österreich und die englisch-ostindische Post 1842–1848
170 Ronald E. Coons Die günstigen Ergebnisse der Versuche bedeuteten unglücklicherweise nicht, daß sich die Engländer entschlossen, über ein Postabkommen mit Österreich zu verhandeln. Leutnant Waghorn hatte schon zu Beginn der Probefahrten die Voraussetzungen, von denen ein österreichischer Erfolg abhing, zunichte gemacht. Denn die beiden durch Europa eilenden Kuriere legten den größten Teil der Strecke mit Pferdegespannen zurück. Wo es möglich war, reisten sie per Bahn; als aber die Vorbereitungen der Probefahrten begannen, erwartete in London oder Wien niemand ernstlich eine durchgehende Eisenbahnroute. Im Juli 1846 informierte dann Waghorn plötzlich die bestürzte österreichische Regierung, daß die Chancen, daß England seinen Vertrag mit Frankreich lösen würde, gering seien, falls sie sich nicht bereit erklärte, eine Eisenbahnlinie von Triest nach Salzburg zu errichten, die dort an die entweder schon bestehenden oder geplanten deutschen Eisenbahnlinien angeschlossen werden solle 80). Waghorn erklärte niemals, warum er so enthusiastisch für die Eisenbahn eintrat. Es ist aber sehr wahrscheinlich, daß diejenigen, die die französische Route befürworteten, seine Aufmerksamkeit auf die im Bau befindliche Eisenbahnlinie von Marseille nach Boulogne lenkten. Die Linie von Paris zum Kanal war bereits in Betrieb und das Datum für die Fertigstellung der gesamten Route war mit 1851 angesetzt81). Waghorn zog den augenscheinlichen Schluß: Postzwischenstationen, Pferde und Kutschen würden im Expreßpostdienst veralten. Falls Österreich England keine Eisenbahnlinie zusichern könne, war sein Projekt in Gefahr. In dieser Weise formuliert, beeindruckten die englische Regierung die Argumente Waghorns zu Gunsten einer direkten Eisenbahnlinie Triest- Salzburg, die dann zur vorläufigen Grundlage für weitere Verhandlungen wurde. In Wien andererseits rief Waghorns Gesinnungsänderung aus zumindest drei Gründen beträchtliche Unzufriedenheit hervor. In erster Linie beanspruchte er, daß nur eine direkte Linie von Triest nach Salzburg und dann von Bayern nach Belgien zufriedenstellend wäre. Das war noch nicht alles. Er erwartete von Österreich, daß es seine Eisenbahnpolitik nach seinen Forderungen richte. 1846 und weiterhin bis ins Frühjahr 1847 wies er jeden Gedanken an eine andere Linie, die die Post zuerst nördlich führen würde, bevor sie sich nach Salzburg wandte, aus dem Grund zurück, daß, sobald die Marseille-Boulogne-Linie eröffnet wäre, jede Zeiteinsparung der seit 1842 diskutierten österreichischen Route verlorenging82). Waghorn versäumte in Betracht zu ziehen, daß ein Kurier, der von Triest in nördlicher Richtung nach Bruck an der Mur und dann nach Salzburg reiste, bereits über die Hälfte der Strecke 80) Metternich an Kübeck, 8. Juli 1846: FA 5700/pp ex 1846; Gordon an Aberdeen, 9. Juli 1846: F. O. 7/329. 81) Zwölfte General-Versammlung 20—21. 82) Vgl. Ponsonby an Palmerston, 21. März 1847: F. O. 7/336.