Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)
COONS, Ronald E.: Das Dampfschiff als diplomatisches Mittel: Österreich und die englisch-ostindische Post 1842–1848
Das Dampfschiff als diplomatisches Mittel 167 Die Vertreter der Ostindischen Handelskompanie, des Lloyd und der englischen Regierung, die einander 1846 in London trafen, um die Versuchsfahrten vorzubereiten, gingen die Pläne, die sie vier Jahre vorher geschaffen hatten, noch einmal durch. Es gab aber grundsätzliche Unterschiede zwischen dieser neuen Reihe von Verhandlungen und denen von 1842. Viele Schwierigkeiten, die früher gegen die österreichische Sache wirkten, waren 1846 entweder verschwunden, oder hatten an Bedeutung verloren. In erster Linie hatten die Teilnehmer nun Tatsachen und Zahlen zur Verfügung; der Gedanke, die Franzosen zu schlagen, war nun kein eitler Traum mehr. Zweitens hielt sich Waghorn zurück, zumindest im Moment. Drittens nahmen nun die Regierung in Wien und der Lloyd die Bedingungen der Engländer an, daß nur Schiffe der Admiralität die amtliche Post befördern sollten. Viertens spielte die Geheimhaltung keine Rolle mehr, seit die Franzosen nicht länger Vorteile aus dem Interesse der Regierung für eine enge Verbindung mit Paris ziehen konnten; weitere finanzielle Zugeständnisse würden in London nur geringe Wirkung zeigen. Seit 1842 hatten die Differenzen zwischen England und Frankreich in Nordafrika, Tahiti und Griechenland die Entente Cordiale ernstlichen Schwierigkeiten ausgesetzt68). Überdies kamen im Juli 1846 die Whigs wieder an die Macht, und Lord Palmerston wurde der Nachfolger Aberdeens im Außenminsterium. Obwohl die freundschaftlichen Verbindungen nicht sofort zerfielen, sollte die Entente Cordiale bald, der unglaublich komplizierten spanischen Hochzeiten wegen, zusammenbrechen 09). Daher mußte man nicht befürchten, daß England, um finanzielle Zugeständnisse zu erzwingen, Österreich irreführen würde. Trotzdem wollte Wien ganz sicher gehen. Während vier Jahre zuvor Metternich Baron Neumann ersuchen ließ, seinen Einfluß auf die englische Politik durch seine Verbindungen in der Administration und durch die Befürwortung von Triest im Außenministerium geltend zu machen, wurde 1846 Graf Dietrichstein angewiesen, sich selbst nicht in die Angelegenheiten einzumischen. Der Botschafter erfuhr von den Verhandlungen nur durch die Informationen des Lloyd-Agenten Joseph Edlmann70). Soweit es London oder irgendeine andere ausländische Hauptstadt betraf, sollten die sechs Probefahrten Privatunternehmen bleiben, an denen die österreichische Regierung offiziell keinen Anteil hatte. Aus diesem Grund bestand Metternich darauf, daß der Lloyd und nicht die Postverwaltung 68) Zur allgemeinen Geschichte der europäischen Diplomatie in den vierziger Jahren vgl. u. a. William L. Langer Political and Social Upheaval 1832—1852 (New York 1969) 283—318. 69) Zur Bedeutung des Ministerwechsels im Jahre 1846 vgl. Raymond Guyot La premiere entente cordiale (Paris 1926) 283—284 und Élie Halévy Palmerston et Guizot 1846—1848 in Revue des sciences politiques 59 (1936) 321—346. 70) Vgl. Dietrichstein an Metternich, 28. Februar 1846: HHStA England Korr. 248.