Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)

GARMS-CORNIDES, Elisabeth: Marginalien des 18. Jahrhunderts zu zwei Biographien des Grafen Karl Firmian

Marginalien des 18. Jhdts. zu zwei Biographien des Grafen Karl Firmian 129 dem Trentiner Historiker Giambattista de Gaspari, der von 1759 bis zu seinem Tod 1768 in Wien lebte; ausgezeichnete Kenntnis des Wiener Archivs; eine offensichtlich pro domo gemeinte Empfindsamkeit, ja aus­gesprochen ausfällige Gekränktheit darüber, daß nicht das Dipartimento d’Italia in Wien, sondern der Graf Firmian in Mailand in den Augen der Nachwelt als Reformer von Wissenschaft, Unterricht und Kunst in der Lombardei dastehen werde. Weisen diese und andere Indizien — wie die Wiedergabe einer Unterredung mit Maria Theresia — auf einen hohen Beamten, so führt eine andere Notiz zum Ziel: der Verfasser der Margina­lien war einer der beiden Testamentsvollstrecker des genannten de Gas­pari 2). Ein Schriftvergleich schließlich schafft letzte Unklarheiten aus dem Weg: es war Joseph von Sperges, seit 1756 Adjunkt des Geheimen Hausarchives in Wien, 1759 Archivar der Staatskanzlei, seit 1763 Hofrat und Staatsoberoffizial, seit 1766 schließlich bis zu seinem Tod 1791 Leiter des Dipartimento d’Italia. In einem Brief an den Jesuiten Ferrari, einen Polyhistor aus Novara, hatte Sperges geschrieben: „Biographiam vehementer amo, sed quae hominum fata, res bene maleve gestas, vita aeque ac virtutes sine fuco, sine exaggeratione narret“ 3). Ganz ähnlich hatte er auch mit freudi­2) Die anonym erschienene Vita de Gasparis aus der Feder seines Bruders Lazzaro nennt als Testamentsvollstrecker Sperges und Pietro Paolo Giusti: Delia vita, degli studi, e degli scritti di Gio. Batt. de Gaspari trentino, consigliere delVAugustissima Imperatrice Regina Maria Teresa, direttore degli studi di belle lettere e pubblico professore di Storia nella Universitä di Vienna (Venezia 1770) 198. Pietro Paolo Giusti, der Sohn von Sperges’Amtsvorgänger Luigi Giusti, war seit 1765 wirklicher Hofsekretarius in Dipartimento d’Italia (Pascher Sperges [s. Anm. 6] 33—34). Er kommt als Verfasser der Marginalien nicht in Frage, u. a. weil er zu jung war, um de Gasparis Förderer zu sein. In einer Marginalie zu V i 11 a Vita 10 bezeichnet der Schreiber sich und Giusep­pe Leporini als Testamentsvollstrecker. Giuseppe Luigi Leporini war 1750 als Historiograph des Kronprinzen in den Dienst des Kaiserhauses getreten. Nach seinem Ausscheiden ist er 1761—1771 als Regierungsrat bei der Nieder­österreichischen Statthalterei nachweisbar; vgl. Anna Hedwig B e n n a Der Kronprinzenunterricht Josefs II. in der inneren Verfassung der Erbländer und die Wiener Zentralbehörden in MÖStA 20 (1967) 123 ff zu Leporini als Lehrer Josefs II. 1772 wird er zum kaiserlichen Reichshoffiskal mit Amtssitz in Pavia ernannt (C r a c a s Diario ordinario Nr. 8345 zum 21. 2. 1772). Im Hofschematis­mus erscheint er ab 1773: Kayserlich- und Königlicher Wie Auch Erz-herzöglicher ... Staats- und Standeskalender ... mit einem Schematismo gezieret ... (Wien 1773) 242 und 385. — Inhaltliche Gründe sowie der paläographische Befund le­gen Sperges eindeutig als Verfasser der Marginalien fest. Die Notiz über Lepo­rini kann auf eine ungenaue Erinnerung des alten Sperges zurückgehen: mög­licherweise hat er mit dem Historiker die Ausgabe von de Gasparis hinter - lassenen Schriften erwogen (s. u. 135), wie überhaupt diese Stelle eher unklar ist. 3) Josephi Spergesii Palentini Centuria litterarum ad Italos cum appen­dice III dec adum ad varios. Carmina i uvenilia. Inscriptiones (Viennae 1793) 45 epist. 28. Das Zitat ist (mit falscher Briefzahl) der biographischen Einleitung Mitteilungen, Band 23 9

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