Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 21. (1968)

MIYAKE, Masaki: Die Achse Berlin – Rom – Tokio im Spiegel der japanischen Quellen

434 Masaki Miyake gewann, was natürlich nicht der Fall war. Trotz der genauen Information von Richard Sorge aus Tokio an Moskau, Deutschland werde Sowjetruß­land um den 20. Juni angreifen, war Stalin, so wird behauptet, von dem Angriff Deutschlands völlig überrascht. In diesem Sinne könnte man vielleicht sagen, daß Matsuoka, der sich nur auf ungenaue Informationen stützte, bei Stalin Dr. Sorge, der die genauesten Informationen von der deutschen Botschaft bezog, zu hoch spielte. Matsuoka glaubte, daß Japan nur durch „strong hold“ (Kizen taru Taido), d. h. „standfeste Haltung“ gegenüber Amerika die wohlwollende Neutralität desselben erzwingen könne. Der Dreimächtepakt und die dann zu realisierende Viermächte-Entente zwischen Berlin, Rom, Moskau und Tokio sollten diese standfeste Haltung Japans ermöglichen. Daß der Dreimächtepakt nur dazu beitrug, Amerikas Politik gegenüber Japan zu versteifen, ist uns heute ganz klar, unter anderem durch die For­schung von Paul W. Schroeder: The Axis Alliance and Japanese-American Relations 1941, New York 1958. Hier sehen wir deutlich, wie oberflächlich Matsuokas Amerika-Verständnis war, obwohl er in seiner Jugend fast 10 Jahre in Kalifornien und Oregon studiert hatte. Matsuoka war ein Absolvent der Juristischen Fakultät der Universität Oregon. Er konnte zum Beispiel glauben, daß Hitler, nach Aussage des stellvertretenden Außenministers Öhashi, die 20.000.000 deutschstämmigen Amerikaner ge­gen Japan hetzen könne, wenn Japan mit Deutschland nicht paktiere ®2). Matsuoka kam am 22. 4. 1941 von seiner Europa-Reise nach Tokio zurück. Zu seinem Erstaunen fand Matsuoka, daß Herzog Konoye und die führende Schicht der Armee, ohne den Außenminister zu konsultieren, geheime Verhandlungen mit Washington begonnen hatten. Matsuoka war empört und wollte die von der japanischen Armee an ihn herangetragene Forderung, umgehend an Cordell Hull, den Staatssekretär des Äußeren in Washington, ein Schreiben zu richten, möglichst hinausschieben, was wiederum die Armee sehr irritierte, Hull seinerseits verlangte später indirekt die Entlassung Matsuokas. Ein neuer Schlag traf Matsuokas außenpolitische Konzeption am 22. 6. 1941. Die Operation Barbarossa begann. Der Neutralitäspakt zwi­schen Moskau und Tokio, den Matsuoka mit großer Mühe in Moskau zustande gebracht hatte, verlor plötzlich seine Bedeutung als ein unent­behrliches Glied in der Kette der Achse Berlin—Rom—Moskau—Tokio. Unverständlich für uns ist die Reaktion Matsuokas auf diese neue Situa­tion. Matsuoka trat sofort nach dem Kriegsbeginn am 22. 6. 1941 mit der Forderung hervor, daß Japan jetzt Sowjetrußland angreifen sollte. Auf den Verbindungskonferenzen vom 27. und 30. 6. 1941 und dann auf der kaiserlichen Konferenz am 2. 7. 1941 verlangte Matsuoka nun ein mili­tärisches Vorgehen gegen Sowjetrußland, den sogenannten Nord-Vorstoß, 82) Öhashi, a. a. O., S. 57.

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