Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 20. (1967)

BLAAS, Richard: Die Archive im Bereich des Kulturgüterschutzes

Österreich 511 Die Sicherungsverfilmung führt uns aber auch weg von der in der Haager Konvention über Kulturgüterschutz immer so ominös wieder­kehrenden Phrase: im Falle eines bewaffneten Konfliktes. Die Siche­rungsmaßnahme der Mikrokopierung ganzer Archive ist nämlich auch dann sinnvoll, zweckmäßig und unerläßlich, wenn man überzeugt ist, daß der „Casus Belli“ wenigstens für uns im neutralen Österreich in das Reich der Utopie abgedrängt werden kann oder der Meinung ist, gegen diesen Eventualfall wären sowieso alle Maßnahmen und Vorkehrungen sinnlos. Die Sicherungs Verfilmung ist die zweckmäßigste und sinnvollste Vor­kehrung gegen Katastrophenfälle jeder Art. Der schweizerische Bundesrat erklärte z. B. im Mai dieses Jahres auf eine Anfrage im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe in Florenz: „ Im Hinblick auf Überschwemmungen, Erdbeben und Großbrände kommt von allen Maßnahmen des Kultur­güterschutzes der dokumentarischen Sicherung besondere Bedeutung zu“ 12). Katastrophen sind nicht voraussehbar, ich erinnere an den Brand im bayr. Staatsarchiv Landshut auf Burg Trausnitz und an die Über­schwemmung in Florenz; diese Unglücksfälle bringen unersetzlichen Substanzverlust, aber die Auswirkungen solcher Fälle könnten doch wesentlich gemildert werden, wenn von den zerstörten Originalen Sicherungskopien vorhanden wären. Was würden wir heute dafür geben, wenn wir, nur um ein Beispiel anzuführen, von den 1927 im Justizpalast verbrannten Akten oder von dem 1945 zugrundegegangenen österreichi­schen Staatsrat eine Kopie im Sicherungsfilm zur Verfügung hätten. Damals, als diese Unglücksfälle eintraten, war eine Mikrokopierung ein­fach technisch noch nicht so durchführbar und man konnte und mußte die ganze Verantwortung sozusagen auf höhere Gewalt abschieben, aber heute? Würden wir vor uns selbst und vor der Öffentlichkeit mit einer so einfachen Rechtfertigung durchkommen? Würde man nicht mit Recht die Frage stellen: warum wurde nicht rechtzeitig eine Mikrokopie angefertigt? Die Sicherungsverfilmung ist in erster Linie ein Akt der Konservie­rung. Ausgehend von der Anfälligkeit der Archivalien für Umweltein­flüsse, seien sie nun klimatischer, chemischer oder biologischer Natur ist die Sicherungsmaßnahme der Mikrokopierung ein auch von den genann­ten Katastrophenfällen abgesehen empfehlenswerter Konservierungsakt. Allein der voraussehbare Substanzverlust an Archivalien durch die natür­liche Alterung, durch Verschmutzung, durch Schriftschwund, durch Feuch­tigkeitsschäden, durch die Benützung läßt eine Sicherungsverfilmung rat­sam erscheinen . Allein schon die ständig zunehmende Benützung durch die sogenannten Forscher wächst sich allmählich zu einer schleichenden Katastrophe aus. Ich wage getrost die Behauptung, daß die Archivalien in all den vergangenen Jahrhunderten ihrer Existenz nicht so strapaziert worden sind wie in den wenigen Jahrzehnten unseres Jahrhunderts. Wenn man sieht — ich beziehe mich da auf die Situation im Haus-, Hof- und Staatsarchiv —, wie 40 und mehr Forscher Tag für Tag, jahraus, jahr­ein in den Archivalien heraumwühlen, dann bedarf es keines Beweises mehr, daß die Benützer mit zu den größten Schädlingen der Archivalien zählen; da wir sie aber nicht aussperren können und wollen, wird die lä) Neue Bündner Zeitung, 91. Jg. Nr. 127 vom 10. Mai 1967.

Next

/
Thumbnails
Contents