Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 20. (1967)
BRETTNER-MESSLER, Horst: Die Balkanpolitik Conrad von Hötzendorfs von seiner Wiederernennung zum Chef des Generalstabes bis zum Oktober-Ultimatum 1913
Die Balkanpolitik Conrad v. Hötzendorfs 211 doner Botschafterkonferenz Popovic richtete am 30. IV. an Grey die Anfrage, ob die Mächte gewillt seien, seinem Land für den Verzicht auf Skutari territorialen Ersatz und wirtschaftliche Hilfe zu gewähren73). Aus diesem Grunde bechloß der englische Außenminister am 1. V. der Konferenz die Formel einer neuerlichen Kollektivdemarche vorzulegen 74). Da die Demarche jedoch keine konkreten Koerzitivmaßregeln in Aussicht nahm, keinen Termin für die Räumung Skutaris enthielt und überdies Kompensationen für das Land vorsah — während die Monarchie auf der bedingungslosen Räumung der Stadt bestand — lehnte Berchtold eine Beteiligung an der Demarche ab und erklärte, die Donaumonarchie behalte sich vor, „ . . . im geeigneten Augenblicke die uns geeignet erscheinenden Maßnahmen zur Durchsetzung der europäischen Beschlüsse in Anwendung zu bringen.“ Es sei aber durchaus erwünscht, wenn es den übrigen Mächten gelingen würde, Montenegro durch eine „... eindringliche Sprache . . zum Einlenken zu bewegen 7S). Zur gleichen Zeit, da dieses Telegramm abgesandt wurde, trat unter dem Vorsitz Berchtolds ein gemeinsamer Ministerrat zusammen. Zur Diskussion stand die gegenwärtige politische Lage. Teilnehmer der Sitzung waren neben dem Minister des Äußeren noch Ministerpräsident Graf Stürgkh, der ungarische Ministerpräsident Dr. v. Lukacz, der gemeinsame Finanzminister v. Bilinski, Kriegsminster Krobatin, der k. k. Finanzminister v. Zaleski und der königlich ungarische Finanzminister Dr. Teleszky. Der Außenminister sprach zunächst über die vergeblichen Bemühungen der Monarchie, durch die Zusammenarbeit mit den europäischen Mächten ihr Ziel zu erreichen und den Frieden zu erhalten. Da diese Versuche gescheitert seien, habe sich Österreich-Ungarn die Handlungsfreiheit gesichert, . um nicht von den Verschleppungsmethoden des Mächtekonzertes abhängig zu sein.“ Um eine Räumung Skutaris zu erzwingen gebe es zwei Möglichkeiten: entweder „ . . . den Krieg mit Montenegro oder eine militärische Kooperation mit Italien . . Wie sich die Situation entwickeln werde, könne man gegenwärtig nicht feststellen, mit einem Krieg gegen Serbien und Montenegro müsse man jedoch rechnen. Nun ergriffen die einzelnen Minister das Wort, um ihre Ansichten darzulegen. Mit Ausnahme Teleszkys der einen Krieg gegen Serbien vermeiden wollte, traten alle übrigen Redner für ein energisches Vorgehen ein. Schließlich wurde folgendes beschlossen: „1. Die Einberufung der bosnischen Nichtaktiven der 1., 2. und 3. Reserve, 73) Uebersberger: S. 135. 74) Ö.-U. A. VI: n. 6847, n. 6848, n. 6849, n. 6850. 75) Ebenda: n. 6866. 14*