Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 19. (1966)
WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bedeutung des Zeitungsarchivs Borgs-Maciejewski für die zeitgeschichtliche Forschung
580 Literaturberichte streichen. Jedenfalls darf in der Praxis nirgends das psychologische Moment übersehen werden, wiewohl die Theorie in ihrer höchsten Form, nämlich in den am Ende entscheidenden Dienstvorschriften, die Alleinverantwortlichkeit des approbierenden Befehlshabers festlegt, und sich im konkreten Fall, insbesondere bei Niederlagen, ausschließlich an ihn hält. „Die klare Begrenzung der Verantwortlichkeit auf den Komplex der Entschlußfassung vor dem Feind, hat gezeigt, daß es hier keinerlei Teilung der Verantwortlichkeit geben kann und darf“ (S. 103). Diese Definition ermöglicht endlich die Anteile an Siegen und Niederlagen — also nicht am Gesamtkonzept von Kriegen — gerecht auseinanderzuhalten. Das sollte oberstes Gebot selbst dort sein, wo die Diskrepanz zwischen dem Armee-Oberkommandanten und dem Chef des Generalstabes so groß ist wie z. B. zwischen Erzherzog Friedrich und Feldmarschall Conrad. Regeles Buch, das wieder einmal die gigantische Belesenheit seines Autors unter Beweis stellt, rückt die Generalstabschefs aller Zeiten, von denen noch Generaloberst von Seeckt sagte, sie hätten eigentlich keinen Namen, aus dem Schatten vielfacher Verkennung und Anonymität ins richtige Licht. Sein profunder Sinn für Ordnung und Sachlichkeit hat ihn auch diesmal wieder zur Durchleuchtung von Problemen bewogen, die vielleicht bald niemand so präzise wird dar stellen können, weil nur mehr wenige, wie Goethe sagen würde, „dabeigewesen“ sind. Der Historiker, der in zahllose Gewänder schlüpfen muß, um die Dinge annähernd so zu schildern, „wie sie wirklich gewesen sind“, ist für jede Bereitung ihm oft völlig fremden Bodens dankbar, denn auch ihm ist, um ein Wort Regeles zu variieren, häufig zu wenig „Saatkorn“ zugemessen, obzwar von ihm „immer eine mehrfache Saat“ verlangt wird. Hanns Leo Mikoletzky (Wien). Kulturgeschichte Waas Adolf, Der Mensch im deutschen Mittelalter. 233 S., 19 Abb., Hermann Böhlaus Nachf., Graz-Köln 1964. Es ist schon oft versucht worden, mittelalterliche Lebensformen im Wesen und im Detail einem breiteren Publikum nahezubringen. Daß der aus früheren Arbeiten bestens bekannte Autor neuerdings über diese Materie, jenes Gebiet nämlich, das unter den herkömmlichen Begriff der „Kulturgeschichte“ fällt, einen geschlossenen Überblick bietet, liegt ganz im Sinne seiner Darstellungsweise, die auch in den bisherigen Werken stets den Kontakt zu den meist übersehenen praktischen Voraussetzungen historischer Ereignisse herstellte. Die Ausgangsbasis bilden im vorliegenden Werk nicht die einzelnen Symptome des Alltagslebens, sondern die ständisch-sozialen Gliederungen der mittelalterlichen Gesellschaft, wie sie von der Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte verstanden wird. Die Gliederung der Darstellung erfolgt also nach sozialen Gruppen (Bauern, Ritter, König und Fürsten, Klerus, Bürgertum). Bei jeder dieser Gruppen geht der Autor spezifischen Eigenarten nach und ver-