Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 19. (1966)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bedeutung des Zeitungsarchivs Borgs-Maciejewski für die zeitgeschichtliche Forschung

570 Literaturberichte allem der Konflikt zwischen östlicher und westlicher Orientierung. Inter­essant ist die Bemerkung, daß in England die Opposition gegen eine Auflösung der Monarchie vor allem von radikalen Sozialisten getragen wurde, wobei wirtschaftliche Erwägungen eine maßgebende Rolle spielten. Mit dem Ende des Jahres 1916 beginnt die zweite Phase des Welt­krieges (Kapitel 4, Tod des Kaisers). Die militärischen Operationen waren in eine Sackgasse geraten, es begann die Diskussion um den Frieden und die Kriegsziele. Die wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Monarchie, gefördert durch den ungarischen Egoismus und Chauvinismus, erregten in Deutschland Besorgnis. Der Ermordung Stürgkhs im Oktober folgte der Tod Franz Josephs, zu dem Zeman eine Rede von Pekar zitiert, in der als Summe der langen Regierungszeit des Kaisers der Kon­flikt und Kompromiß zwischen dynastischem Prinzip und dem Nationali­tätenprinzip bezeichnet wurde. Eingehend schildert Zeman dann vor allem auf Grund des deutschen Aktenmaterials die Differenzen zwischen den Mittelmächten wegen der polnischen Frage und bezeichnet das Kaiser­manifest vom 5. November 1916 als schweren Schlag für die österreichische Regierung, zumal es die Besorgnisse der Slawen wegen des steigenden deutschen Einflusses bestärkte. Den ungeschickten Friedensbemühungen Kaiser Karls und dem deutschen Friedensangebot, dessen herablassen­den Ton Zeman kritisiert, folgte die Anfrage Wilsons über die Kriegs­ziele aller Kriegführenden. Die Sorge der Exilpolitiker, es könnte ein Friede Zustandekommen, bevor sie ihre Ziele erreicht haben, verwandelte sich in Jubel über die Antwort der Entente, in der die Zerstörung der Monarchie verlangt wurde. Im Gegensatz hiezu lehnten die zufolge der Aussichten auf eine Wiedereinberufung des Reichsrates endlich geeinigten Politiker daheim eine solche Lösung strikte ab und stellten die Existenz der Monarchie nicht in Frage. Im fünften Kapitel „Revolution im Osten“ zieht Zeman gewisse Paral­lelen zwischen den schwächeren Verbündeten in beiden Lagern, Rußland und Österreich-Ungarn; er vergleicht die Märzrevolution mit der Einbe­rufung des Reichsrates, die Oktoberrevolution mit der sozialen Unruhe am Ende des Jahres 1917 und Anfang 1918. Zunächst befaßt er sich ein­gehend mit den nationalen Forderungen der Tschechen, Ruthenen und Südslawen, welche im Reichsrat vorgetragen wurden und immer noch im Rahmen der Monarchie verblieben, und mit der enttäuschenden und ver­späteten Stellungnahme des Ministerpräsidenten Clam-Martinitz. Für den Aufbau einer tschechischen Legion brachte die russische Revolution gewisse Erleichterungen, doch ließen sich nur etwa 12% der kriegsgefangenen Tschechen anwerben. Im zweiten Teil des Kapitels schildert Zeman die Härten des Winters 1917/18 mit der katastrophalen Lebensmittelknappheit, die Streikbe­wegung, die Haltung der deutschösterreichischen Sozialisten und die be­ginnenden Zerfallserscheinungen der Armee (Meuterei in Cattaro). Die Behauptung, daß diese Meuterei daran scheiterte, daß in der Marine im Gegensatz zur Armee das Offizierskorps fast nur aus Deutschen und Ungarn bestand und daher nicht mitmachte, ist wohl kaum aufrechtzu­erhalten, wie schon ein flüchtiger Blick in eine Rangliste eindringlich

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