Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 19. (1966)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bedeutung des Zeitungsarchivs Borgs-Maciejewski für die zeitgeschichtliche Forschung

Rezensionen 563 Ausdruck gegeben, daß eine kritischere Bewertung der österreichischen Leistungen auf diesem Gebiet dem Ansehen des alten Reiches vor allem — aber nicht nur — im Ausland einen besseren Dienst leisten würde als eine gewiß in bester Absicht vorgebrachte laudatio. Man erweist weder der österreichischen Geschichtsforschung noch dem Verfasser eines wichtigen und gehaltvollen Werkes einen Dienst, wenn man mit glatten Lobesphrasen und bloßen Anspielungen auf allfällige Mängel an der eigentlichen Aufgabe der Kritik vorbeigeht. Es sei der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß diese Rezension so verstanden wird wie sie gemeint ist, als Bekundung der Achtung vor einem wissenschaftlichen Werk, das trotz mancher Schwächen von großem Wert ist. Das bezieht sich auf die Sachkenntnis des Autors, die Erschließung noch unbearbeiteter Quellen, vor allem aber auf sein unabhängiges Urteil. Robert A. K a n n (Princeton). Rumpler Helmut, Max Hussarek, Nationalitäten und Nationalitätenpolitik in Österreich im Sommer des Jahres 1918. Studien zur Geschichte der Öster­reichisch-Ungarischen Monarchie, Band IV, Verlag Böhlau, Graz-Köln, 1965. Helmut Rumplers Arbeit über die Tätigkeit des Kabinetts Hussarek erscheint als zweite einer Reihe von Studien, die sich mit den öster­reichischen Regierungen während des ersten Weltkriegs befassen. Sie ist in gleicher Weise durch reiche Heranziehung noch unerschlossener Quellen — im wesentlichen des Nachlasses Hussareks, der Präsidialakten des Ministeriums des Innern und der Bestände des gemeinsamen k. u. k. Finanzministeriums — wie besonders durch selbständiges Urteil bemer­kenswert. Nicht ganz überzeugend ist es freilich, daß die Darstellung mit dem 27. September 1918 und nicht mit dem fast einen Monat später er­folgten Rücktritt der Regierung Hussarek abbricht. Rumplers Ansicht, daß die Innenpolitik Österreichs sich seit Ende September der Außenpolitik, richtiger der Friedenspolitik, um jeden Preis unterordnete, ist gewiß an sich richtig. Die Auffassung, daß der Ministerpräsident am kaiserlichen Manifest vom 16. Oktober 1918, das den Umbau der österreichischen Reichshälfte in einen Bundesstaat ankündigte, nur nominell beteiligt war, dürfte in einer zweiten Publikation des Verfassers, der man mit berech­tigtem Interesse entgegensieht, unter Beweis gestellt werden. Trotzdem kann man jetzt schon sagen, daß Hussareks Rolle im weiteren Sinn keine völlig passive war. Wenn er die Politik, die zum Manifest führte, nicht billigte, hätte er demissionieren können. Daß er das nicht getan hat, er­scheint für den Staatsmann Hussarek in hohem Maße charakteristisch. Das heißt gewiß keineswegs, daß der Ministerpräsident, ein Beamter von exemplarischer Pflichttreue, an seinem Amtsstuhl geklebt hat. Es bedeutet aber wohl, daß er in kritischen Situationen Entscheidungen immer wieder ängstlich auswich, um unvermeidliche Risken zu vermeiden. Mit anderen Worten, die Politik Hussareks ist die Verkörperung der Passivi­tät und des Ausweichens vor der letzten Verantwortung. Sein Versagen wirkt besonders tragisch, weil Hussarek, ungleich seinem beschränkten Vorgänger Seidler, an sich ein Mann von hoher geistiger Begabung und Urteilsfähigkeit war 36*

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