Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 19. (1966)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bedeutung des Zeitungsarchivs Borgs-Maciejewski für die zeitgeschichtliche Forschung

562 Literaturberichte Offiziere leicht möglich gewesen wäre, ohne den Tatsachen und Schluß­folgerungen Gewalt anzutun. Das aber hätte dem Verfasser zumindest die räumliche Gelegenheit gegeben, seine Darstellung im vorangeführten Sinne sachlich zu erweitern. Eine solche Ergänzung, vorgenommen von einem Verfasser mit der Sachkenntnis und Objektivität Dr. Sutters, hätte aber den beträchtlichen Wert des Werkes noch weit erhöht. Wenn man vom Raumproblem spricht, kann man an der Technik der Anmerkungen Dr. Sutters leider nicht vorübergehen. Sie füllen im Klein­druck mindestens 200 Seiten. Dazu kommt noch, daß sich längere Zitie­rungen sekundärer Quellen und die oft wörtliche Wiedergabe von Do­kumenten im Text selbst befinden. Der embarras de richesses an An­merkungen und Zitierungen gibt aber einer geschichtlichen Darstellung von Problemen des späten neunzehnten Jahrhunderts das Ansehen einer Regestensammlung des dreizehnten — nicht zum Vorteil der Lesbarkeit und Übersichtlichkeit. Vor allem wäre es im Rahmen eines streng wissen­schaftlichen Werkes wie das Sutters in vielen Fällen wohl möglich ge­wesen, sich auf bloße Hinweise auf die im Druck vorhandene Literatur an Stelle von langen Zitaten in Text und Anmerkungen zu beschränken. Das hätte auch dazu geholfen, Wesentliches und minder Wesentliches ober- und unterhalb des Striches klarer zu trennen als es der Fall ist. Wir haben allen Grund, Sutters Sachkenntnis und Unparteilichkeit voll zu vertrauen, auch wenn er seine Folgerungen häufiger auf bloße Hinweise statt auf lange Zitate gestützt hätte. Das bezieht sich selbst auf die allgemein geschichtlichen Betrachtungen zum Nationalitätenproblem, mit denen das Werk beginnt und endet, die aber auch sonst gelegentlich zu finden sind. Sutters Stellungnahme gegen­über der Germanisierungspolitik des Josefinismus ist streng ablehnend. Auf dessen schroffen deutschen Zentralismus führt er die verspätete Entwicklung der Idee der nationalen Autonomie in der Monarchie zu­rück. Dies ist nun sicher eine vertretbare Ansicht, aber auf Grund neuerer Forschungen wäre vielleicht doch auch die Ansicht zu erwägen, daß die Germanisierungstendenzen des Josef inismus nicht nur ein Produkt des Rationalismus, sondern auch des Nationalismus waren. In den breit an­gelegten Schlußfolgerungen wird die Behandlung des Nationalitäten­problems in Österreich, trotz natürlich zugegebener Mängel, als jener in den meisten europäischen Staaten weit überlegen hingestellt. Gleichzeitig wird gegen die doch schon einigermaßen überholte Ansicht vom ,Völker­kerker Österreich1 polemisiert, mit der man heute westlich des Eisernen Vorhangs sozusagen offene Türen einrennt, und die erfreulicherweise selbst im Osten merklich an Gewicht zu verlieren beginnt. Kann man dar­um aber so weit gehen, die Erklärung Rudolf von Launs aus dem Jahre 1916 (!) stark herauszustellen, daß Österreich in bezug auf die Behand­lung der Nationalitätenfrage „für nahezu alle ... Staaten mit Ausnahme der Schweiz ein leuchtendes Vorbild abgeben könnte“? Oder kann man sich schlechthin auf Srbiks Auffassung berufen, daß das österreichische Nationalitätenrecht „von einer bisher unerreichten Gerechtigkeit erfüllt“ gewesen sei? Derartige Ansichten, wenn auch durchaus erwägenswert, verlangen sorgfältige Qualifikation. Es sei hier der entschiedenen Ansicht

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