Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 19. (1966)
WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bedeutung des Zeitungsarchivs Borgs-Maciejewski für die zeitgeschichtliche Forschung
560 Literaturberichte XIII. Session des Reichstages, zunächst bis zum Sturz des Ministeriums Badeni im November. Dann wird der weitere Verlauf der parlamentarischen Krise, seit dem Herbst 1897 eine wahre Staatskrise, unter den Kabinetten Gautsch, Thun und Clary bis zur völligen Aufhebung der Sprachenverordnungen im Oktober 1899 behandelt. Eine Untersuchung der Wirkung des tschechisch-deutschen Konfliktes hauptsächlich auf die Intelligenz der innerösterreichischen Alpenländer, aber auch auf die nationalen Unruhen an den deutschsprachigen österreichischen Hochschulen überhaupt folgt. Das Werk schließt mit einer Kritik Badenis und einer umfangreichen und außerordentlich positiv gehaltenen Würdigung der auf österreichischem Boden entwickelten und zum Teil angewandten Ideen zur Lösung des Nationalitätenproblems. Texte der Sprachenverordnungen verschiedener Kabinette, aber auch inoffizielle Entwürfe zur Regelung des Sprachenkonfliktes und wertvolle Bibliographien befinden sich im Anhang beider Bände. Was immer die Vorzüge von Sutters Werk sind — und sie sind beträchtlich — Geschlossenheit und Übersichtlichkeit der Darstellung gehören nicht zu ihnen. Dieser Umstand erschwert eine entsprechende Würdigung der großangelegten Arbeit. Genau betrachtet hat Dr. Sutter eigentlich drei Studien durchgeführt, die in den beiden Bänden zum Teil simultan weitergeführt werden und sozusagen in verschiedenen Schichten einer Art von historischen Geologie auftauchen und wieder verschwinden. Doch nur die Bearbeitung eines dieser drei Themen, nämlich die Untersuchung der Badeni- krise selbst auf Kabinetts- und parlamentarischer Ebene wurde vollständig durchgeführt. Sie stellt unzweifelhaft den wertvollsten Teil des Werkes dar. Die Untersuchung der Wirkung der Sprachenkrise auf die deutschnationale Intelligenz der Alpenländer zweigt von diesem schicksalschweren Thema wie eine schmale Landstraße von der Reichsstraße ab. Auch dieser Teil der Arbeit hat natürlich einen durchaus eigenständigen Wert, aber doch einen, der in viel größerem Maßstab gesehen und auf eine viel geringere Anzahl von Interessenten beschränkt ist. Hier hätte der Verfasser Abhilfe schaffen können, wenn er die Untersuchung der Wirkung der Regierungs-, Parlaments- und Staatskrise über die Wirkung auf die akademische Jugend hinaus auf jene der Gegenseite, vor allem unter der tschechischen Intelligenz ausgedehnt hätte. So bleibt der Eindruck bestehen, daß eine mit großer Sorgfalt ausgearbeitete monographische Studie unorganisch in eine breite geschichtliche Untersuchung eingebaut ist. Ebenso unorganisch ist aber auch das dritte Thema des Werkes behandelt, das sich mit dem österreichischen und zum Teil dem europäischen Nationalitätenproblem überhaupt befaßt. Wiederum handelt es sich hier um einen Torso, der sich vor allem mit dem Josefinismus, der nationalen Problematik der Revolution des Jahres 1848 und der Sicht auf die europäischen Nationalitätenfragen nach Badeni befaßt. Auch hier wird zeitlich häufig vor- und zurückgegriffen. Ungleich der Behandlung der Wirkung der Badenikrise auf die akademische Jugend wird aber nicht mit Detailmaterial, sondern mit ganz breiten und nicht immer leicht zu überblickenden Pinselstrichen gearbeitet.