Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 19. (1966)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bedeutung des Zeitungsarchivs Borgs-Maciejewski für die zeitgeschichtliche Forschung

Rezensionen 555 vorbringt, hält einer kritischen Prüfung auf der unteren Basis nicht immer stand. Die Verhältnisse waren gerade in der Praxis viel differenzierter als man es nach der Darstellung von F. glauben könnte. Hier bietet der reiche Quellenanhang die Erklärung für viele Mißver­ständnisse des Verfassers. Tatsächlich wurden ausschließlich die Archive der Zentralstellen für die vorliegende Arbeit benützt und nicht etwa die der Statthalter eien, nach deren Material kaum die Thesen des Verf. auf­recht zu halten sind. Auf der Ebene der Landes- und Lokalbehörden hätte F. hinlänglich Akten gefunden, die sein Werk grundlegend modi­fiziert hätten. Entscheidend ist auch die Definition der Germanisierung auf S. 133. Von einer „bewußten, planmäßigen Eindeutschung mit einem wohldurch­dachten, umfassenden System von Einzelmaßnahmen zur Entnationali­sierung der Nichtdeutschen, zur Unterdrückung aller spezifisch nichtdeut­schen Lebensäußerungen“ kann man im österreichischen Neoabsolutismus tatsächlich nicht sprechen. Aber das sind Kategorien, wie sie dem 19. Jahr­hundert noch gar nicht zukommen und wie sie auch in einer späteren Zeit nur gewissen Erscheinungsformen des Faschismus entsprechen. Aus­schlaggebend war die faktisch zentralistische Regierungsform im Jahr­zehnt nach 1848, die zwangsläufig germanisierende Tendenzen zur Folge hatte. Für die betroffenen Nationalitäten war es dann letzten Endes gleichgültig, welche Motive tatsächlich eine solche Politik bestimmten. Rudolf Neck (Wien). Granfeit Helge, Der Dreibund nach dem Sturze Bismarcks. I. England im Einverständnis mit dem Dreibund 1890—1896. — Lund: CWK Gleerup 1962. 284 S. — II. Der Kampf um die Weltherrschaft 1895—1902. — Lund: CWK Gleerup 1964. 364 S. 8 (Schriften der Fahlbeckschen Stiftung. XLVI). Der Schwede Helge Granfeit zählt zu den ersten, die sich in wissen­schaftlicher Arbeit mit der Geschichte des Dreibundes befaßt haben. Schon bald nach dem Erscheinen der ersten Bände der „Großen Politik der euro­päischen Kabinette 1870—1914“ hat Granfeit im Jahre 1925 in deutscher Sprache seine Dissertation als ersten Band eines größer geplanten Werkes über „Das Dreibundsystem 1878—1916“ veröffentlicht. Für diese gründliche, voll auf der Höhe der damaligen Methode diplomatischer Geschichte stehende Arbeit hatte Granfeit nur die von deutscher Seite veröffent­lichten Akten sowie die Farbbücher der anderen Länder als Quellen her­anziehen können. Die österreichischen Akten waren nicht zugänglich, doch bot das Buch Pribrams Einblick in die k. u. k. Außenpolitik. Die Veröffentlichung der britischen und französischen Akten war für die nahe Zukunft versprochen und Granfeit stellte seine weiteren Forschungen zu­rück, um diese Quellen in den folgenden Bänden mitverarbeiten zu kön­nen. Die Edition der französischen und britischen Akten verzögerte sich jedoch, bzw. blieb aus und Granfeit war aus beruflichen Gründen, wie auch wegen der Schwierigkeiten der Kriegs- und Nachkriegsjahre lange Zeit nicht in der Lage, seine Forschungen fortzusetzen. Erst in den späten fünfziger Jahren vermochte er zu dem Thema seiner Erstlingsarbeit zu­

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