Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 19. (1966)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bedeutung des Zeitungsarchivs Borgs-Maciejewski für die zeitgeschichtliche Forschung

552 Literaturberichte Wir haben es hier mit der ersten umfassenden Darstellung des Frie­dens von Preßburg zu tun. Die Verf. hat dafür alle einschlägigen Archiv­quellen in Frankreich, Österreich und Bayern herangezogen. Sie geht damit über die nicht ganz mit Recht fast völlig in Vergessenheit geratene ungedruckte Wiener Dissertation von Johanna Wallner aus dem Jahre 1916 weit hinaus; Oer beschäftigt sich mit dieser älteren Arbeit in einem kurzen Anhang. Nach einer knappen Schilderung der Vorgeschichte, auch der geistigen Grundlagen der Koalition und des militärischen Verlaufs des Krieges von 1805 bis zur Kapitulation von Ulm bietet das Werk eine erschöpfende Behandlung der diplomatischen Vorgänge, die dem Friedensvertrag vor­ausgehen. Dabei wendet sich die Verf. methodisch von der überlieferten Napoleonforschung ab, die einseitig und ausschließlich die militärgeschicht­lichen Aspekte in den Vordergrund geschoben hat. Sie untersucht viel­mehr zunächst die diffizilen Probleme im Reich und in den österreichi­schen Vorlanden. Schon frühzeitig weist sie auf die geschickte Ausnützung der Begehrlichkeit der deutschen Fürsten durch die Diplomatie Talley- rands hin. Mit der Mission Gyulais Anfang November 1805 treten die Ver­handlungen auf diplomatischer Ebene noch vor der endgiltigen militäri­schen Entscheidung in ihre abschließende Phase. Der überwiegende Teil der Arbeit ist nun diesen Unterhandlungen gewidmet. Oer bringt dabei viele unbekannte Details ans Tageslicht, ohne dabei die Hauptlinien des Geschehens aus den Augen zu verlieren. Sie führt den Leser durch die bunten, oft kaleidoskopartig wechselhaften Vorgänge in der Diplomatie. Austerlitz hat die Lage hier keineswegs vereinfacht und gerade jetzt im Dezember, unmittelbar vor Vertragsabschluß werden die Verhandlun­gen besonders unübersichtlich und kompliziert. Aber auch hier in der entscheidenden Wandlung der großen Koalition arbeitet die Verf. mit sicherer Hand in ihrer Darstellung die bestimmenden Fakten und Linien des Geschehens heraus. Vielleicht hätte man in dieser Phase kurz vom rein Diplomatischen einmal absehen können, um noch eingehender auf die bedrohliche innere Lage des Habsburgerstaates hinzuweisen, namentlich in den noch freien Restgebieten. Wichtig und aufschlußreich sind die Ausführungen über die fast un­bekannten Verhandlungen in Brünn, als einer wichtigen Vorstufe des end­giltigen Vertrages. Die von langer Hand vorbereitete Wandlung in der Politik Preußens wurde dann bestimmend für die Fortsetzung der Ver­handlungen in Schönbrunn. Oer schildert noch sehr drastisch den Druck, dem Österreich vor der Unterfertigung des Vertrages in Preßburg aus­gesetzt war. Die einzelnen Bestimmungen werden einer gründlichen histo­rischen Analyse unterzogen und im Rahmen des allgemeinen Geschehens gewürdigt. Überzeugend sind die abschließenden Ausführungen über die Bedeu­tung des Vertrags als ganzen. Wir stehen hier vor einem echten Wende­punkt der Geschichte; selbst in technischen Einzelheiten ist die Abwen­dung vom Alten und der Beginn des Neuen spürbar. Nicht nur für das alte Reich und für die Deutschen bedeutet jedoch der Vertrag eine Wende.

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