Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)

NECK, Rudolf: Sammelreferat. Westfälischer Friede

682 Literaturberichte betont hat, Bestand haben werden. Die intensive Beschäftigung mit dem Gegenstand hatte offenbar zur Folge, daß sich D. besonders weit von den früheren nationalstaatlichen Geschichtsvorstellungen entfernte. Es mag sein, daß wir uns in unseren Erwartungen täuschen und viel­leicht noch sehr viel in Dickmanns Darstellung infolge der Fülle künftiger Quellenpublikationen modifiziert werden muß. An der wissenschaftlichen Bedeutung des Werkes, an der geistigen Leistung des Verfassers kann dies nichts mehr ändern. Fritz Dickmanns Buch wird eingehen in die Geschichte der deutschen Historiographie als eine Großtat, die sich an die Seite stellen läßt jenen Werken auf dem Gebiet der Geschichte, die über den Bereich unserer Fachliteratur hinaus weiterblühen, auch wenn die Detailforschung längst über ihre Einzelergebnisse weitergeschritten ist. Das monumentale Werk Dickmanns und die Herausgabe der „Acta*' haben die Diskussion über den Westfälischen Frieden wieder auf breitester Basis eröffnet. Dies fand u. a. seinen Ausdruck in einem Colloquium fran­zösischer und deutscher Historiker im April 1963 in Münster. Die Vorträge dieser Tagung sind nun im Druck erschienen und eröffnen eine Schriften­reihe, die weitere Monographien und Spezialuntersuchungen zu diesem Thema bringen soll. Aus dem Vorwort von Max Braubach erfährt man übrigens auch von deutschen Plänen einer Ausgabe der Akten des Wiener Kongresses. Die Vorträge enthalten durchwegs neue Forschungsergebnisse. Die fran­zösischen Referenten behandeln vor allem die französische Geschichte, so Jean Meuvret die Lage der französischen Wirtschaft und der Finan­zen in den Jahren der Verhandlungen, die für Frankreich den Krieg nur zum Teil beendeten, da der Kampf gegen Spanien weiterging. Roland Mousnier befaßt sich mit der innenpolitischen Lage Frankreichs, na­mentlich mit der Bewegung der Fronde und deren Auswirkungen auf die Friedensverhandlungen. Alphons Dupront bietet eine ideenge­schichtliche Studie über den Nuntius Chigi. Von den deutschen Gelehrten liegt ebenfalls ein geistesgeschichtlicher Beitrag von dem in Paris wirkenden Hermann Weber über Ogier vor. Sehr hervorzuheben ist das Referat Fritz Dickmanns, das um­fangreicher ist, als es das Inhaltsverzeichnis erwarten läßt, über die Bedeu­tung des Westfälischen Friedens für die Entwicklung der Reichsverfassung. Hier konnte D. ausführlicher als in seinem großen Werk auf diese spezielle Frage eingehen und zugleich Stellung nehmen zu einigen Beiträgen der Kritik. Den Abschluß der vorliegenden Sammlung bildet der weitausholende Überblick von Kurt v. Raumer über das Problem der internationalen Friedensordnung im älteren Europa von 1648 bis 1815. Hier wird der West­fälische Friede zum Ausgangspunkt genommen für eine imponierende, die Hauptlinien herausbildende Gesamtschau einer der wichtigsten Fragen der neueren Geschichte. Es ist sehr zu hoffen, daß Forschung und wissenschaftliche Diskussion sich weiterhin mit dem Gegenstand des Westfälischen Friedens beschäfti­gen und weiterhin Neues beitragen zu einem der ganz großen Gegenstände der Geschichte Europas und seiner völkerrechtlichen und geistigen Struktur.

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