Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)
KUN, Jószef: Das ungarische Kriegsarchiv
678 Archivberichte Im Material der Bach-Epoche sind die Akten des sogenannten Militär- Bezirkskommandos (Pester, Pozsonyer, Soproner, Kassaer und Nagyvára- der), bzw. des Oberkommandos der 3. Armee, darunter die Akten der Polizei- sektion (1850—1851), Justizsektion (1848, 1849—1851) und Zivilsektion sehr interessant. Das Material der Bach-Epoche haben wir vom österreichischen Kriegsarchiv bekommen, es ist aber leider nicht vollständig. Es fehlen die Akten der Prozesse vieler bedeutender Persönlichkeiten des politischen und öffentlichen Lebens. Die Archivalien der Ungarischen Leibgarde (1760—1850) und der Königlichen Leibgarde (1867—1918) sind auch hier verwahrt. Von den Sammlungen müssen an erster Stelle die auf die 1848/49-er Revolution und den Freiheitskampf bezüglichen Akten genannt werden, die in ihrer Art einen einzigartigen Wert darstellen. Der größte Teil kam durch den Badener Vertrag, der kleinere Teil durch Schenkungen und Ankauf in den Besitz des Kriegsarchivs. Der bedeutendste Teil der Operationsakten bezieht sich auf die Kämpfe der sogenannten Oberdonau-Armee und auf die Armee des in Siebenbürgen kämpfenden Generals Bem. Das älteste Quellenmaterial unseres Archivs ist die sogenannte „Sammlung der Türkenzeit“, die die Epoche von der Niederlage bei Mohács (1526) bis zum letzten Türkenfeldzug Josefs II. (1789) umfaßt. Es besteht nur aus neun Faszikeln, enthält aber solche Einzelstücke wie z. B. die Meldung von Miklós Jurisich über Kőszeg aus dem Jahre 1529, die Briefe von István Dobó aus den Jahren 1548 und 1552, einen Brief Miklós Zrinyi’s von 1526 usw. In dieser Sammlung befindet sich das älteste Originalstück des ungarischen Kriegsarchivs (1. Jänner 1528), in dem János Cazianer10) dem König Ferdinand meldet, daß die Husaren des Hauptmann Raditsch schon Kassa nahe sind; die Schlösser Huszt und Terebes, sogar Kassa selbst seien in Gefahr. Aus der Türkenzeit stammt auch die älteste ungarische Schrift: Der Bericht des Hauptmann Jakosich vom 5.—10. Juni 1552 über die Festung Drégely 11). Das Kriegsarchiv besitzt auch eine kleine Sammlung, die sich auf die Zeit des Rákóczi-Freiheitskampfes bezieht (1703—1711). Es ist die sogenannte Kuruc-Sammlung. Der größte Teil der Schriften besteht aus Fotokopien oder abgetippten Kopien; Originalstücke, die einen sehr hohen Wert bilden, hat es wenig. Unter diesen befinden sich die Briefe von Ferenc Rákóczi II., Miklós Bercsényi, Sándor Károlyi, Ádám Béri Balogh, usw. Mengenmäßig umfaßt das reichste Material die Sammlung des ersten Weltkrieges, die aus 4152 Faszikeln besteht. Leider ist der größte Teil des Materials nur in Kopien vorhanden. 10) János Cazianer, Heeresführer des König Ferdinand I. Sein Geburtsjahr ist unbekannt, 1539 wurde er ermordet. Im Jahre 1529 verteidigte er erfolgreich die Stadt Wien gegen den Sturm der Türken und nachher wurde er der Heerführer sämtlicher ungarischer Heere. 11) Ferenc Jakosich meldete während eines Spähstreifzuges dem Bischof von Vác und Erasmus Tenfel, dem Kommandant der bei Léva stillstehenden königlichen Armee, daß „az hassa immáron dregheol alath vagyon“.