Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)

THOMAS, Christiane: Die Bergung der kaiserlichen Kunstschätze und des Archivs 1866

308 Christiane Thomas Sammlungen noch vorhandener politischer und historischer Dokumente zum größten Nachtheil der Wissenschaft und der Stadt Venedig.“ Auf ein Ent­gegenkommen des italienischen Verhandlungspartners durfte Österreich nicht bauen: „So werden denn alle Dokumente, welche etwa daraus ent­fernt worden sein sollten, in die Venetianischen Archive zurückkehren.“ Als einzige Vergünstigung wurde der österreichischen Regierung gestattet, diejenigen Schriftstücke, für die sie Interesse zeigen würde, abschreiben zu lassen97). Artikel XVIII des Wiener Friedens vom 3. Oktober 1866 fixierte unwiderruflich die italienischen Ansprüche: „Les archives des territoires cédés contenant les titres de propriété, les documents admini- stratifs et de justice civ’Te, ainsi que les documents politiques et historiques de l’ancienne République de Venise, seront remis dans leur intégrité aux Commissaires, qui seront désignés ä cet effet“ 98). Die Besprechungen über die Archivalienabgabe fanden 1867 in Mailand statt und wurden erst am 14. Juli 1868 in Florenz beendet99): zum Ver­treter Österreichs wurde der ehemalige Statthalter der Lombardei, Baron Burger, ernannt, dem Arneth „als technischer Beirat“ zugeteilt wurde100). Von Anfang an war Arneth bestrebt, die Dispacci di Germania für Wien zu erlangen 101); noch im Zusatzprotokoll vom 14. Juli 1868 betonten die österreichischen Delegierten, auf der Überlassung der Dispacci als eines „für die Monarchie überaus wichtigen Archivteiles“ bestehen zu müssen. Arneth drang mit seinem Wunsch nur unter der Bedingung durch, die Akten zur Anfertigung von Kopien nach Venedig zu entlehnen. Fast sämt­liche altvenezianischen Archivalien inklusive des Schriftgutes, das auf Dal­matien, Istrien und Friaul Bezug hatte, waren für das Wiener Archiv verloren. Rund 350 Urkunden, über 2000 Faszikel und über 80 Handschrif­ten fielen an Italien102). In der gleichen Sitzung vom 5. September 1866, die sich mit dem Problem des venetianischen Archivs beschäftigte, wurde auch das künftige Schick­sal der Eisernen Krone angeschnitten. Begreiflicherweise war Italien an der Übernahme dieses Insigne, dieses Symbols für ein italienisches König­tum, außerordentlich gelegen. Selbstverständlich erstreckte sich seine For­derung nicht auf den vollständigen Krönungsornat, da Mantel, Szepter, Reichsapfel, Schwert und Kronenaufsatz 103) erst 1838 von einer ausländi­97) Das Staatsarchiv, S. 141. 98) Das Staatsarchiv, S. 129. ") Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, herausgege­ben von Ludwig Bittner, Band 1 (Wien, 1936), S. 559. 10°) Richard Blaas, II Barone Burger, Luogotenente a Trieste, S. 29 in: La crisi dellTmpero austriaco dopo Villafranca (Instituto per la Storia del Risor­gimento Italiano, Comitato di Trieste e Gorizia) (Trieste, 1960); Arneth, S. 329. 101) Arneth, S. 330. 102) Gesamtinventar, S. 559. Vgl. die ausführliche Darstellung der lang­wierigen Unterhandlungen bei Arneth, S. 329—336 und S. 359—362. 103) Da der Durchmesser der Eisernen Krone nur 15,8 cm beträgt, war es

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