Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)

BLAAS, Richard: Die Anfänge des österreichischen Brasilienhandels

Di« Anfänge des österreichischen Brasilienhandels 275 von 1836 zu Felde zog und auf die sich stützend sie immer wieder die Gleichstellung mit der privilegiertesten Nation, in diesem Falle mit Frank­reich, das durch die Articles perpétuels eine Ausnahmestellung einnahm, verlangte 152 153 *). In dem Jahresbericht vor der Kammer versuchte der Außen­minister Cayru, auf das Verhältnis zwischen Österreich und Brasilien ein­gehend, die Ministerialerklärungen von 1836 dahingehend auszulegen, daß ihnen weder die Kraft noch die Wirkung eines Vertrages zukomme, sowohl ihrer Natur nach als auch weil zur Zeit, wo sie ausgewechselt worden waren, der Kaiser noch minderjährig war, und die Regierung nach den bestehenden Gesetzen während dieser Minderjährigkeit ohne Zustimmung der Kammern keine Verträge abschließen konnte. Die Ministerialerklärungen wurden nun­mehr sogar in den Zeitungen für Null und Nichtig erklärt. Noch während die Protestnote der österreichischen Regierung in Behandlung war, wurde das Ministerium gestürzt und der neue Außenminister Saturnino de Souza e Olivera wich einer Erledigung der Protestnote zunächst aus mit dem Hin­weis, er habe noch nicht die Möglichkeit gehabt, die Sache zu studieren 15S). Es zeigte sich aber bald, daß das neue Ministerium geneigt war, alle frem­den Mächte auf gleichem Fuß zu behandeln, da für einen Vertragsabschluß folgende allgemeinen Grundsätze offiziell festgelegt wurden: Vollkommene Reziprozität, gänzlich freie Handels- und Schiffahrtsbewegung, Ausschluß aller Differenzialrechte, Regelung der Erbschafts- und Nationalitäten­fragen, welche bisher so häufig Anlaß zu Kollisionen zwischen der brasilia­nischen Regierung und den fremden Mächten gegeben haben durch den Abschluß spezieller Konventionen, wodurch die Stellung und die Rechte der Fremden in Brasilien nach den Grundsätzen des am 26. Juni 1845 in Lissabon zwischen Portugal und Spanien abgeschlossenen Vertrages be­stimmt werden soll134). Da Saturnino die Führung der Verhandlungen in der Hand behalten wollte, sind die Gespräche in Wien wieder zum Still­stand gekommen135). Einer Stellungnahme zu den Ministerialerklärungen von 1836 wich der Minister bewußt aus, um die Verhandlungsmöglichkeiten offen zu halten. Die Intransigenz der anderen Kabinettsmitglieder gegen die Abschließung von Verträgen, vereitelte immer wieder das Zustande­kommen einer einheitlichen Regelung der Stellung Brasiliens dem Auslande gegenüber. Der englische Handelsvertrag scheiterte an der englischen Bill 152) Ebenda, Bericht vom 17. III. und 4. V. 1847. 153) Ebenda. Bericht vom 9. Juli 1847 mit Note qui dévait étre échangée contre une déclaration de Mr. le Baräo de Cayru reconnaissante les déclarations ministerielles échangées entre l’Autriche et le Brésil en 1836 (Beilage). 164) Ebenda. Bericht vom 9. Juli 1847 und vom 7. August 1847. 165) In der Weisung vom 11. Juli 1847 war der Fortgang der Verhandlungen in Wien gemeldet worden. Sie wurden jetzt durch das Vorgehen des Außenmini­sters stark beeinträchtigt — vgl. auch Bericht vom 4. Oktober 1847 — und end­lich nach der Demission des Außenministers ganz aufgelassen und auf unbe­stimmte Zeit vertagt. Vgl. Weisung vom 3. August 1849. Die innerpolitischen Ereignisse in Österreich im Jahre 1848 mögen hiebei nicht ohne Einfluß gewesen sein. 18*

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