Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)

BLAAS, Richard: Die Anfänge des österreichischen Brasilienhandels

274 Richard Blaas ten ließ bisher immer wieder vor einem Vertragsabschluß zurückschrecken. Graf Rechberg wandte den handelspolitischen Fragen nicht geringere Sorg­falt zu als seine Vorgänger. Die Frage des Vertragsabschlusses wurde aber erst wieder dringend, als nach Ablauf des brasilianisch-englischen Vertrages Brasilien bei allen möglichen Anlässen, wie Verlassenschaftsabhandlungen, Erbschaftsfragen u. dgl. die k. k. Untertanen auf minder günstigem Fuße zu behandeln begann. Rechberg, der anläßlich eines solchen Falles eine Note am 30. November 1846 an die brasilianische Regierung richtete, berief sich darin ausdrücklich auf die 1836 ausgewechselte Ministerialerklärung. Daraufhin mußte er sich vom brasilianischen Außenminister Cayru sagen lassen: „Österreich sei nicht in Folge der ausgewechselten Ministerial- erklärungen bis zum Ablauf des englischen Vertrages auf dem Fuße der privilegiertesten Nation behandelt worden, sondern weil es damals der Grundsatz der brasilianischen Regierung gewesen sei, alle fremden Mächte auf gleichem Fuße zu behandeln. Die gedachten Ministerialerklärungen hätten schon ihrer Fassung nach gar keinen praktischen Wert und seien nur ausgewechselt worden, um dem allerhöchsten Hofe in Wien die freund­liche Gesinnung des hiesigen Hofes zu bestätigen" 1S1). Diese Auslegung war natürlich für Österreich höchst unerwünscht und man bemühte sich mit allen Mitteln, den Status der privilegiertesten Nation auch weiterhin aufrecht erhalten zu können, sei es durch die Wiederaufnahme der Vertrags­verhandlungen mit dem brasilianischen Gesandten in Wien, Macedo, oder durch direkte Einflußnahme beim brasilianischen Außenministerium in Rio de Janeiro durch eine feierliche Verwahrung gegen eine so abträgliche Auslegung der Ministerialerklärungen von 1836. Darauf zu hoffen, daß im gegenwärtigen Minister- und Staatsrat ein neuer Handelsvertrag mit Öster­reich durchgehen würde, war leider vergebens; umso wesentlicher war es, den Status von 1836 wenigstens so lange aufrecht zu erhalten, bis die Ver­tragsaussichten' besser würden. Die vorherrschende Meinung im brasilia­nischen Ministerium war gegen alle Art von Verträgen und nach dem Er­löschen des englischen Handelsvertrages bemühte man sich in Brasilien auf jede Weise, auch eine Modifikation der Frankreich zugestandenen „Articles perpétuels" zu erreichen. Alles, was Österreich im Augenblicke tun konnte, war, die Frage offen zu halten und keine Verhandlungsmöglichkeit aus der Hand zu geben. Das brasilianische Ministerium Hollande Cavalcanti, das in seiner Gesamtheit starke Neigung zeigte, Brasilien von jedem europäischen Einfluß zu iso­lieren, erschwerte die Lage der k. k. Untertanen durch verschiedene Ver­ordnungen, wie Pressung zum brasilianischen Seedienst, Sondersteuern bei Beschäftigung von mehr als einem Ausländer in einem Handlungshaus, Beschränkungen von Erbschaftsrechten u. dgl. Verordnungen, gegen die die österreichische Gesandtschaft unentwegt mit den Ministerialerklärungen 151) StK. Dipl. Korr. Brasilien, Fasz. 29, Bericht vom 11. Jänner 1847 und Note des brasilianischen Außenministers vom 12. Dezember 1846 (Beilage).

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