Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)

BLAAS, Richard: Die Anfänge des österreichischen Brasilienhandels

272 Richard Bíaas 1 ungen wegen Handelsverträgen anzukniipfen, da eine Anerkennung der Unabhängigkeit dieser Staaten „ohne Kompromission der österreichischen Regierung“ nunmehr möglich schien. Daiser erhielt eine vom Kaiser per­sönlich ausgestellte allgemeine Verhandlungsvollmacht. Grundsätze der ab­zuschließenden Konventionen sollten sein: Freiheit des Schiffs- und Waren­verkehrs, Meistbegünstigung, Gleichstellung mit den Nationalen, Recht auf konsularische Vertretung, möglichste Reziprozität bei allen Zugeständ­nissen und Privilegien. Es versteht sich von selbst, daß nur allgemeine Richtlinien für diese Verhandlungen gegeben werden konnten, auch hatte es mit dem Abschluß derselben keine Eile. Diese Verträge, meinte Metter­nich, entspringen keinem dringenden Bedürfnis, es soll durch sie nur dem Handel ein neues weites Feld eröffnet und ein Ansporn zu weiterer Ausdehnung gegeben werden. Die Verhandlungen sollten daher mit Ruhe und Umsicht geführt werden, um „alle Kompromission des österreichischen Hofes“ zu vermeiden 147), denn Verhandlungen mit Republiken und ehe­maligen Kolonien empfand man in der großen österreichischen Monarchie immer noch als leicht ehrenrührig. Die Staatskanzlei schränkte den allgemeinen Verhandlungsauftrag in- soferne ein, als sie Anweisung gab, „daß nur mit solchen Staaten Unter­handlungen anzufangen wären, mit welchen England bereits Konvenzionen abgeschlossen hat, da wir im Verletzungsfall uns unser Recht in jenen Ländern doch wohl nur durch englischen Schutz werden verschaffen kön­nen" 147). Damit ist auch blitzartig die ganze Situation des österreichischen Überseehandels beleuchtet. Hatte ein Land, das nicht im Stande war, seine Handelsinteressen im Notfall selbst zu vertreten, jemals Aussicht auf den Aufbau einer weltweiten Handelsorganisation und war ein solches Land über­haupt für den Welthandel geschaffen? Der Weg hinaus in die weiten Ge­filde des Welthandels sollte den österreichischen Kaufleuten frei gemacht werden. Die Unterhandlungen konnten beginnen, es sollte aber trotzdem noch Jahrzehnte währen, bis die entsprechenden Verträge unterzeichnet wurden. Dem Abschluß des neuen österreichisch-brasilianischen Handelsvertrages war nicht nur die schwere Erkrankung des Baron Daiser hinderlich, viel­mehr waren es die gegen den englischen Handelsvertrag sich erhebenden Schwierigkeiten und Einwände, die weniger in Handelsfragen gründeten als vielmehr in dem viel dornigeren und schwierigeren Problem des Neger­handels. Das Problem des Negerhandels, auf das hier nicht eingegangen werden kann, belastete schon seit Jahrzehnten das englisch-brasilianische Verhältnis und spielte entscheidend in die Handelsvertragsverhandlungen hinein. England weigerte sich, von Brasilien z. B. Kaffee und Zucker zu kaufen, weil diese Produkte ausschließlich mit Sklavenarbeit erzeugt wur­147) Ebenda, Weisung vom 13. März 1842.

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