Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)
BLAAS, Richard: Die Anfänge des österreichischen Brasilienhandels
Die Anfänge des österreichischen Brasilienhandeis 255 Die Durchsetzung dieses Grundsatzes bedingte aber eine genaue Deklaration der Exportwaren. Das brasilianische Zollsystem basierte auf den deklarierten Wert der Waren. Fixe Eingangszölle waren nur für Flüssigkeiten — Weine, Öl, etc. — und Salz aufgestellt. Die übrigen Eingangszölle wurden nach dem Wert der Waren eingehoben und zwar im allgemeinen 24% und von den meistbegünstigten Nationen 15% dieses Wertes. Für die Einstufung der Waren bestand ein Tarifkatalog, die sogenannte Panta, darin waren die Waren in bestimmte Handelsartikel zusammengefaßt und deren Schätzwert gesetzlich festgelegt. In der Panta waren nun aber nicht alle Warenartikel enthalten und die Zollämter schätzten diese außer Katalog stehenden Artikel nach freiem Ermessen. Daraus entstanden begreiflicher Weise viele Reibereien zwischen Zollbehörden und Handelsleuten. Um diesen Streitigkeiten ein Ende zu bereiten, hatte die brasilianische Regierung beschlossen, daß die Warendeklarierungen in Zweifelsfällen jederzeit vom betreffenden fremden Konsul oder diplomatischen Vertreter konstatiert und als wahr bestätigt oder, wenn als falsch festgestellt, berichtigt werden konnten. Dieses loyale Entgegenkommen der kaiserlichbrasilianischen Regierung setzte eine ordnungsgemäße Einschätzung der Handelsartikel voraus und gab den diplomatischen Vertretern die Möglichkeit, Übergriffe der Zollbehörden abzuwehren 108 109 *). Die Ausstellung derartiger Warenatteste erforderte aber bei einem einigermaßen lebhaften Handelsverkehr unbedingt die Einsetzung eines Konsuls, der in allen Belangen des Handels den Kaufleuten an die Hand gehen konnte. Der Handelsvertrag sicherte das Recht zur Ernennung von Konsuln in den Ländern der Vertragspartner. Mareschal sah die Notwendigkeit der Installierung eines Generalkonsuls in Rio de Janeiro klar voraus und empfahl bereits im Mai 1827, also noch vor dem Abschluß des Handelsvertrages, den Herrn Franz Scheinen für diesen Posten. Scheiner war Österreicher, war Kompagnon des bereits erwähnten renommierten englischen Handelshauses Brittain, Scheiner & Co. und seit mehreren Jahren in Brasilien tätig. Er hatte durch Mareschal eine wohlfundierte Denkschrift über die Bedeutung des Brasilienhandels für Österreich der österreichischen Regierung übermitteln lassen und gleichzeitig eine Liste von österreichischen Exportartikeln für Brasilien samt Mustern und Proben nach Triest geschickt. Die Durchsetzung der Meistbegünstigung für die österreichischen Waren, die Einrichtung eines funktionierenden Konsulardienstes sollten im Zusammenhang mit dem Handelsvertrag „dem eigentlich erst noch ins Dasein zu rufenden unmittelbaren Handels- und Schiffahrtsverkehr mit Brasilien zum Erfolg verhelfen“ 10B). los) Hofkammerarchiv, rote Nr. 1072, ZI. 156/27. 109) St.K. Dipl. Korr. Brasilien, Fasz. 16, Bericht Nr. 7 A ddo. 19. Mai 1827. — Scheiners Memoire liegt dem Bericht nicht mehr bei, es wurde den Inneren Behörden übergeben, ebenso die Warenproben und Muster. Scheiner war mit der österreichischen Vertretung bereits 1825 in Verbindung gekommen, als es um die Bestellung von Quecksilber aus Idria ging (vgl. oben Anm. 93).