Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)
BLAAS, Richard: Die Anfänge des österreichischen Brasilienhandels
Die Anfänge des österreichischen Brasilienhandels 251 offensichtlich bemüht, jede einseitige Bevorzugung irgendeiner Nation abzuschaffen und für alle gleiche Bedingungen herzustellen. Frankreichs Handelsvertrag war nach dem Muster des englischen abgefaßt und enthielt ebenso die Meistbegünstigung wie die ausdrückliche Berufung auf das Prinzip strengster Reziprozität98). Der österreichische Antrag wurde, als Mareschal endlich in der Lage war, seine Verhandlungsvollmachten vorzulegen, sehr wohlwollend aufgenommen. Bereits am 12. Mai 1826 legte er der brasilianischen Regierung seinen Entwurf der Handelskonvention vor. Die Schwierigkeiten, die sich in der Folge ergaben, waren durchwegs nicht sachlicher sondern rein formeller Natur, die ihren Grund in der verschiedenen Auslegung und Handhabung von Verfahrensfragen hatten. Auf brasilianischer Seite wurde die Verhandlungsvollmacht, die nur von Metternich und nicht vom Kaiser selbst unterzeichnet war, bemängelt; Pedro war peinlich darauf bedacht, nur dann zu unterschreiben, wenn auf der Gegenseite auch der Souverän unterschrieben hatte und nach seiner Überzeugung konnte keine Übereinkunft, die nicht seine Unterschrift trug, Rechtskraft und Gültigkeit erlangen. Ferner stritt man sich darum, mit wem Baron Mareschal unterhandeln sollte, da er nur als k. k. Agent akkreditiert war. Seiner geschickten und geduldigen Verhandlungstaktik, mit der er auf alle Empfindlichkeiten des jungen Souveräns und auf alle Quengeleien der mit der Bedienung der noch jungen und neuen Staatsmaschinerie betrauten Ministerialbürokratie einging, gelang es, in nur vier Konferenzen die Handelskonvention unterschriftsreif zu machen 99). Er hätte sich allerdings viel Arbeit und geduldiges Paktieren erspart, wenn die Verbindungen zwischen Wien und Rio de Janeiro nicht so unendlich zeitraubend gewesen wären, denn Metternich hatte ihn bereits am 4. Jänner 1826 zum k. k. Geschäftsträger ernannt und die Beförderung zum Gesandten und bevollmächtigten Minister in Aussicht gestellt100). Während die Verhandlungen über die „Convention pré- liminaire de commerce et de navigation“ bereits liefen, ging von der Staatskanzlei in Wien ein bereits fix und fertig ausgearbeitetes Projekt eines Handelsvertrages auf die weite Reise nach Rio de Janeiro. Das österreichische Handelsvertragsprojekt baute auf dem englischen Handelsvertrag 9S) Ebenda. Fasz. 11, Bericht Nr. 1 B ddo. 7. I. 1826 und Nr. 2 A ddo. 9. I. 1826. 99) Ebenda. Fasz. 12, Bericht Nr. 13 I ddo. 13. Juni 1826 ... „mon idée a été de faire une convention qui puisse également servir de base et de préliminaire ä un traité et étre mise de suit en éxécution, c’est pour (aela que j’ai cherehé ä faire omettre du préambule tout ce qui était inusité et pourrait étre un obstacle ä cette fin.“ Bericht Nr. 15 G ddo. 5. Juli 1826 „La Convention nous donne ou explicitement ou tacitement tous les avantages concedés ä présent ou qui seraient con- cedés pour l’avenir ä la nation la plus favorisée, je crois done avoir remplis le but que Votre Altesse s’est proposé ...“ 10°) St.K. Dipl. Korr., Brasilien, Fasz. 11, Weisung vom 4. I. 1826. Akkreditierung als k. k. Geschäftsträger. — Weisung vom 8. I. 1826 Ankündigung der Ernennung zum Gesandten.