Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)
BLAAS, Richard: Die Anfänge des österreichischen Brasilienhandels
238 Richard Blaas Herr Weber hatte Mühe, die Brigg Iginio mit Kolonialwaren am 22. April 1819 nach Triest zurückzuschicken und für das am 6. Juli nach einer Fahrt von nur 97 Tagen eingelaufene Handelsschiff „Cittadino di Vienna“ Käufer für die Waren zu finden75). Mit dem von der Kommerzhofkommission für den Brasilienhandel proklamierten „laissez les faire“ war dieser Handel offenbar nicht flott zu machen, der Ruf nach einem günstigen Handelsvertrag wurde immer dringlicher, aber war ein solcher in absehbarer Zeit zu erreichen? Nach dem Tode des Gesandten Neveu war Baron Mareschal, k. k. Kämmerer und Oberstleutnant, als Legationssekretär und Geschäftsträger nach Brasilien abgeordnet worden. Er war auf dem englischen Schiff Lady Louise am 25. September 1819 in Rio de Janeiro eingetroffen, und damit war die österreichische diplomatische Vertretung wieder handlungsfähig76). Der Situationsbericht, den er über den österreichischen Brasilienhandel abgab, war offen und ehrlich, aber auch trostlos, um nicht zu sagen vernichtend. Was er vom österreichischen Brasilienhandel vorfand, faßte er in den lapidaren Satz zusammen: ,,il n’existe done pour le moment point de relations commerciales entre le Brésil et l’Autriche, tout est encore ä créer“ 77). Bei der Analyse der Ursachen für diesen eklatanten Fehlschlag des österreichischen Handels mit Brasilien kam der Geschäftsträger zu ähnlichen Resultaten wie Herr Weber. Die äußeren objektiven Gegebenheiten wie der längere Anfahrtsweg, die größeren Frachtspesen, die Schwierigkeiten bei der Kapitalbeschaffung waren für den österreichischen Handel gegenüber dem englischen ein echter Nachteil, aber andere mehr subjektive Tatbestände für den Niedergang des Brasilienhandels glaubte er, dem österreichischen Handelsmann anlasten zu müssen. Johann Weber war zu dem Zeitpunkt, in dem Mareschal nach Rio de Janeiro gekommen war, in einer wenig beneidenswerten Lage: er hatte große finanzielle Verluste hinnehmen müssen, seine Gesundheit hatte gelitten, die vielen Mißerfolge hatten ihn entmutigt, er hatte resigniert, und dementsprechend fielen seine nach Triest abgefertigten Berichte aus. Die österreichischen Unternehmer hatten das Interesse am Brasilienhandel verloren. Der Hauptfehler J. Webers war nach Ansicht des Baron Mareschal, daß er sich nicht elastisch genug auf die neuen Gegebenheiten des brasilianischen Marktes umzustellen vermochte. Er kritisierte an ihm, daß er dauernd nur en gros verkaufen wollte, was auf dem völlig unorganisierten Markt unmöglich war und schon manche andere Handelsfirma in den Ruin getrieben hatte, er 75) St.K. Dipl. Korr. Brasilien, Fasz. 6, Bericht nr. 8 A ddo. 7. Mai 1819 über die Rückfahrt der «Iginio» und Bericht nr. 13 A ddo. 27. Juli 1819 über die Brigg «Le Citoyen de Vienne» entrée ici le 6 juillet. Monsieur Weber auquel la cargaison a été consignée desire recharger le brick pour Trieste aussitot qu’il lui sera possible; ce négociant se plaint du peu de succés qu’éprouvent ses spéculations“. 76) St.K. Brasilien, Fasz. 6, Bericht Nr. 1 ddo. 24. Sept. 1819. Ankunft des Baron Mareschal in Rio de Janeiro. 77) Ebenda, Bericht Nr. 7 F ddo. 19. April 1820.