Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)
BLAAS, Richard: Die Anfänge des österreichischen Brasilienhandels
Die Anfänge des österreichischen Brasilienhandeis 239 bemängelte an seiner Geschäftsführung, daß er es nicht verstanden habe, sich den Usancen des Landes anzupassen; in einem Land, in dem alles um Geld zu kaufen ist, kann man nicht stur auf sein Recht pochen, ein Geldopfer zu rechter Zeit hilft schneller und rascher zum Ziel. Auch ohne Handelsvertrag und Sonderkonzessionen hätte man es sich von allem Anfang an „richten“ können, war Mareschals Überzeugung, wenn man sofort versucht hätte, Einfluß auf die Panta, die Zolltarifliste, zu gewinnen. Denn die Festsetzung dieser Richtsätze geschah ziemlich willkürlich und die Tarifsätze waren keine unumstößlichen Fixpunkte, wie der Geschäftsträger bald herausgefunden hatte. Dieses „Sich Richten“ erforderte allerdings nicht unbeträchtliche Geldmittel, deren Ausgabe sich aber lohnte. Derartige Sonderfonds zur Aufbesserung der Gehälter hoher und niederer Zollbeamter besaßen die Vertretungen Englands und Frankreichs und machten daraus auch gar kein Geheimnis78). Das lautstarke Rufen nach einem dem englischen gleichwertigen Handelsvertrag prangerte Mareschal als höchst unrealistisch an. Die Idee mit dem Handelsvertrag, teilte er nach Wien mit, möge man ruhig begraben. England, das einen derart tiefgehenden Einfluß auf die Regierung in Portugal und Brasilien nimmt, wird es trotz aller Freundschaft mit Österreich zu verhindern wissen, daß ein solcher Vertrag, der seinen kommerziellen Interessen direkt zuwiderläuft, jemals abgeschlossen werden kann. Der englischen Vertretung waren die österreichischen Bestrebungen sicher nicht unbekannt geblieben trotz der versuchten Geheimhaltung durch Neveu, und der Effekt der englischen Gegenwirkung hatte sich ja in den bisherigen Verhandlungen klar gezeigt79). Der österreichische Geschäftsträger glaubte aber trotzdem einen Weg zur Ankurbelung des Brasilienhandels aufzeigen zu können: man müsse, meinte er, auf der einen Seite versuchen, von der brasilianischen Regierung Teilkonzessionen herauszuschlagen und durch Beistellung von Sonderfonds Einfluß auf die maßgebenden Handelsstellen zu gewinnen suchen und auf der anderen Seite müsse die österreichische Regierung durch eine aktive Exportförderung, durch Gewährung von Prämien und anderen Erleichterungen, unter denen die wesentlichste die Gründung einer österreichischbrasilianischen Handelskompagnie wäre, dem darniederliegenden Brasilienhandel aufhelfen. Diese Handelskompagnie müßte in Rio de Janeiro ihre Hauptniederlage eröffnen, der Filialen in Bahia, Pernambuco und Buenos Ayres anzuschließen wären. Eine Handelskompagnie würde viel größeres Vertrauen einflössen, müßte allerdings sich auch weitgehender staatlicher 78) „Votre Altesse n’ignore point que la mission anglaise dispose d’un fond particuliére que l’on me dit étre considérable pour cet objet, je suis fondé ä erőire que la France a adoptée le mérne principe“ 1. c. 79) Quant’ ä un traité de commerce entre l’Autriche et le Brésil, je crois qu’il faut absolument renoncer ä cette idée; jamais l’Angleterre ne permettra ä ce gouvernement, lequel il influence si fortement, une démarche aussi contraire ä ses intéréts commerciaux ... 1. c.