Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)

BLAAS, Richard: Die Anfänge des österreichischen Brasilienhandels

Die Anfänge des österreichischen Brasilienhandels 227 vor allem mit irischem Leinen, Sheffielder Stahl- und Eisenwaren, Leder­waren, Glaswaren, Steinkohle, Bier, Butter, irischem Schinken usw. auf dem Markt vertreten waren. Nach den Engländern rangierten die Nordameri­kaner auf dem brasilianischen Markt mit Mehl, Pökelfleisch, Walrat, Schiffsbauholz usw. während die Franzosen bei Weinen, Likören, Mode- und Galanteriewaren, Parfümerieartikel usw. dominierten. Schweden, Holländer und Hanseaten versuchten gleichfalls mit ihren Artikeln auf dem Markt unterzukommen. Bei einem solchen Überangebot bedurfte es, wie der Han­delsmann Weber bald erfaßte, einer sehr knappen Kalkulation und vor allem einer genauen Kenntnis des Geschmackes und Bedarfes der Konsu­menten. Die Engländer hatten ihre dominierende Stellung, wie Weber fest­stellen konnte, nicht nur ihrem privilegierten Status im Handel mit Bra­silien zu verdanken, sondern gleicher Weise ihrem Geschick, ihre Waren dem Geschmack des Landes anzupassen 49). Von November 1817 bis Mai 1818 hatte der Kommissionär der Handels­firmen, die sich am ersten Versuch beteiligt hatten, Zeit für den Abverkauf seiner Waren. Dieser gestaltete sich nicht nur wegen des teilweise ram­ponierten Aussehens verschiedener Artikel schwierig, er war auch dadurch gehemmt, daß die Käuferschichten, da sie wußten, daß die österreichischen Schiffe nicht sehr lange bleiben würden, auf einen billigen Ausverkauf warteten. Es war nämlich, wie Herr Weber seiner Firma berichtete, damals in Rio de Janeiro an der Tagesordnung, daß Handelsartikel von Schiffen, die sie rasch loswerden wollten, einfach versteigert wurden und so zu einem wesentlich billigeren Preis zu beziehen waren als auf dem regulären Ver­kaufsweg50). Wenn das erste österreichische Handelsexperiment nicht mit 49) „Es muß hier nicht nur Ware angeboten werden, sie muß in Formen, Qualitäten, Gebinden, Größen, Längenmaßen, Farben etc. zu Markt kommen, die dem lokalen Geschmack entsprechen, um schnell und vorteilhaft Absatz zu finden. Ich werde mir von allen Artikeln, welche zu einer Geschäftsverbindung zwischen Österreich und Brasilien geeignet sein könnten, Muster von den be­liebtesten und den meisten Absatz findenden Gattungen zu verschaffen trach­ten und selbige meinem Haus in Triest senden und dasselbe zugleich durch aus­führliche Berichte in Stand setzen, jeder Fabrik, welche von diesen Mustern verlangen und geneigt sein sollte, mit solchen dem hiesigen Markt angepaßten Produkten eine Probesendung zu machen, die genaueste Auskunft geben zu können.“ Aus dem obzitierten Promemoria Webers. — Stellungnahme der KHK. zum Weber’schen Promemoria in HKA., Kom.-Präs. rote Nr. 1248, ZI. 1085 ddo. 18. III. 1818. 50) St.K. Dipl. Korr., Brasilien, Fasz. 4, administrativer Bericht ddo. 25. Mai 1818. Beilage J. Webers 15seitiger Bericht an sein Handlungshaus in Triest. Darin schreibt er u. a.: „Es hat beinahe kein Artikel einen fixen Preis, denn da keine Börse oder sonstiger Versammlungsort der Kaufleute vorhanden ist, auch die Geschäfte durchaus nur vom Käufer zum Verkäufer unter sich abge­schlossen werden ... so kann es Vorkommen, daß zu gleicher Zeit der gleiche Artikel von gleicher Qualität um 10—20% im Preis variiert. Etwas erschwert den Verkauf noch ganz besonders: ein großer Teil der aus Europa und Nord­amerika kommenden Schiffe wollen vor ihrer Rückreise alle Pendenzen erledigen und daraus entstehen eine Menge von Privatauktionen, in welchen die restlichen Waren zu sehr niedrigen Preisen weggegeben werden; auf diese Auktionen war­15*

Next

/
Thumbnails
Contents