Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)

BENNA, Anna Hedwig: Doppelspionage im Türkenjahr 1683

Doppelspionage im Türkenjahr 1683 15 Im Gegensatz zur Hinhaltetaktik, die Brechthal dem Erzbischof von Prag gegenüber betrieb, bequernte er sich relativ rasch dazu, Abele mit näheren Informationen, die von ihm in seinen früheren Schreiben nur aus Gründen der Sicherheit nicht gegeben werden konnten, zu versorgen. An Stelle von Pauschalverdächtigungen gegen hochgestellte Personen am Kaiserhof traten jetzt namentliche Denunziationen78). Brechthal bezichtigte den Grafen Kaplir 79) des Landesverrates. Dieser habe sich mit Frankreich eingelassen und dem König von Frankreich versprochen, ihm Böhmen in die Hände zu spielen. Der Weg Frankreichs nach Böhmen sollte über Frankfurt und Ulm führen. Beide Städte würden dem König von Frankreich mit Hilfe von Geld zufallen. Im Sommer habe Kaplir in Wien den Besuch zweier vornehmer Ratsherren aus Frankfurt empfangen und diese für seine Pläne gewonnen. Was die Einnahme Ulms beträfe, habe der Sekretär Kaplir anläßlich einer Sendung an den württembergischen Hof im vergangenen Jahr bereits Füh­lung mit dem dortigen französischen Residenten genommen. Als Haupthelfer Kaplir nannte Brechthal dann noch den Generalkriegskommissar Graf Maximilian Ludwig von Breuner 80). Den Reichsvizekanzler Grafen Koenigs- egg 81) beschuldigte Brechthal nicht nur des Verrates am Reich, sondern auch der Konspiration mit dem bereits in Haft befindlichen Zrínyi82 83). Von Koenigsegg und Zrínyi seien Fäden zu den Türken gelaufen, beide seien in Korrespondenz gestanden und beide seien bestechlich. Scharfe Verhöre mit Zrínyi würden die geplanten Anschläge Koenigseggs ans Tageslicht bringen. Den Namen des vierten Geheimen Rates zu nennen, unterließ Brechthal. Er motivierte sein Schweigen mit der Tatsache, daß dieser Mitverschwörer im Laufe dieses Jahres gestorben sei. Einen weiteren Verschworenen zu nennen, sei ihm noch nicht möglich, da er noch keine verläßlichen Nachrichten über diesen Mann besitze. Brechthal kam noch auf Attentatspläne gegen den Kaiser und seine beiden im zarten Kindesalter stehenden Söhne Joseph und Leopold zu sprechen. Ein Anschlag auf den Kaiser mit Gift in Form einer Salbe anläßlich der Truppenparade in Kittsee8S) habe nicht gelingen wollen, er scheiterte an der Verwegenheit des Grafen Zrínyi. Außer Zrínyi und Esterházy 84) hätte auch Koenigsegg getrachtet, den Kaiser zu töten. Kaplir bemühe sich nun mit Hilfe von Gift, das ihm aus Frankreich durch einen eigenen Boten zugestellt werden solle, den Kaiser wegzuräumen. Dazu 78) 1683 August 31. Amsterdam. Brechthal an Abele (Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Familienakten Kart. 110. Dechiffrierte Abschrift von Abele, eigen­händig). 79) Vgl. Anm. 43. 80) Vgl. Anm. 44. 81) Vgl. Anm. 53. 82) Vgl. Anm. 50. 83) Das Rendezvous bei Kittsee fand am 6. Mai 1683 statt. Vgl. Newald, Bei­träge 1, 88, Maurer, Kolonitsch, S. 130. Stoye, The siege of Vienna, S. 121—122. 131. 84) Vgl. Anm. 38.

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