Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)
WALDSTEIN-WARTENBERG, Berthold: Österreichisches Adelsrecht 1804–1918
Berthold Waldstein-Wartenberg 140 III. Vorrechte. Im Gegensatz zu den übrigen Ländern besaß der Adel in Österreich nur geringe Vorrechte, die nach dem Jahre 1848 fast völlig beseitigt wurden. Aber auch im Vormärz waren die einstigen historisch begründeten Standesprivilegien durch den von Maximilian begründeten und Josef II. durchgeführten zentralistischen Beamtenstaat stark beschnitten und beseitigt. Da ihre Anzahl gering war und nicht mehr in allen Provinzen galten, wurden sie 1838 in einer Verordnung zusammengefaßt,7S). Sie beinhalteten demnach 1. das Recht, die verliehenen Titel, Prädikate und das Wappen führen zu dürfen und sich ersteres auch von anderen beilegen zu lassen. Dieses Recht blieb dem gesamten Adel als einziges Vorrecht bis zum Ende der Monarchie erhalten. 2. Privilegierter Gerichtsstand in allen Provinzen, mit Ausnahme der Lombardei. In diesen Provinzen wurden die zivilrechtlichen Prozesse des Adels vor dem Landrecht, die Strafprozesse vor den Magistraten der Provinzhauptstadt, schwere Polizeiübertretungen am Lande vor den Kreisämtern abgehandelt. Für adelige Dienstgeber waren bei Streitigkeiten mit Dienstboten in Wien die Polizeioberdirektion zuständig. Der privilegierte Gerichtsstand wurde bereits mit der ersten Reichsverfassung vom 25. April 1848 (§ 25) abgeschafft* 174). 3. Die gerichtlichen Ehrenvorzüge des Sitzes vor Gericht und in sämtlichen Erlässen die Anrede „Herr“ oder „Frau“ für Angehörige des Herren- und Ritterstandes. Dieses Privileg wurde durch die Verordnung des Justizministeriums vom 11. August 1848 aufgehoben175). 4. Mit Ausnahme der Provinzen Tirol, Dalmatien und der Lombardei war der Adel von der Militärpflicht befreit. Gegen dieses Privileg, in dessen Genuß z. B. in Galizien ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung gelangte, wandte sich schon 1845 das Generalkommando von Niederöster- reich mit dem berechtigten Hinweis, daß gerade der Adel in erster Linie zur Verteidigung des Hofes und Staates verpflichtet sei176). Es wurde mittels § 1 des Patentes vom 5. Dezember 1848 aufgehoben 177). Nur der ehemals reichsunmittelbare Adel wehrte sich gegen den Entzug der Befreiung von der Militärpflicht mit dem Hinweis, daß ihm dieses Privileg mittels Artikel XIV der Bundesakte gewährt worden sei. Es kam zu mehreren Eingaben an den Kaiser und die Ministerien, 1874 sogar zu einer Entscheidung des Reichsgerichtes, doch waren sich alle 176) Gesetze und Verordnungen 66. Bd. Nr. 77 S. 230 ff. 174) Gesetze und Verordnungen 76, Bd. S. 151. 175) Ebda S. 277. 176) 27.328/1845—7. 177) RGBl von 1848 Nr. 6.