Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)
WALDSTEIN-WARTENBERG, Berthold: Österreichisches Adelsrecht 1804–1918
112 Berthold Waldstein-Wartenberg Karl VI. erlassene Rangordnung wieder ein. Demnach sollten die ehemals regierenden Fürsten vor den nichtregierenden rangieren, wobei innerhalb beider Gruppen das jeweilige Alter maßgebend war. Dieses richtete sich bei den ehemals regierenden Fürsten nach dem Datum der Verleihung des Stimmrechtes im Reichstag, während für die nichtregierenden das Verleihungsdatum des Diploms maßgebend war. Nachgeborene Söhne standen zwar hinter ihren Familienhäuptern, aber vor den Fürsten der jüngeren Familien. Witwen regierender Fürsten mußten regierenden Fürstinnen weichen 1#). Diese Regelung galt aber nur für die fürstlichen Familien, da die Reichsgrafen stets den landsässigen Grafen gleichgestellt waren* 17). 2. Galizien. Über die Verhältnisse des Adels Galiziens sind wir durch einen ausführlichen Bericht des Hofrates Baldacci sehr gut unterrichtet, der 1799 Westgalizien bereiste18). Obwohl der Adel eine geschlossene Schicht bildete, bei dem alle Macht lag und den Baldacci als den eigentsichen Staatsbürger bezeichnete, unterschied er sich dennoch in einen höheren und niederen Adel. Zum höheren Adel, den Senatorenstand, gehörten die Wojwoden, Palatine, Kastellane und Minister. Es handelte sich bei diesem Adel um einen ursprünglichen Beamtenadel, der jedoch erblich wurde. Die Besitzungen dieses Adels erlaubten ihren Inhabern sehr großzügig zu leben, so daß sie, wie Baldacci feststellen konnte, manchen deutschen Landesfürsten gleichzustellen waren. Allerdings zogen es einige vor, im Ausland, vor allem in Frankreich, zu leben, wie auch ausländische Sitten und Gebräuche durch diese Herren in Polen verbreitet wurden. Trotz wiederholt erlassener Verbote, von fremden Souveränen den Grafen- oder Fürstenstand anzunehmen, haben einige Familien dennoch diese Titel erworben. Nachdem die oben genannten alten polnischen Titel und Würden 1796 aufgehoben und ihr Gebrauch bei Strafe von 500 Dukaten verboten worden war 19), bildeten die Fürsten und Grafen den neuen hohen Adel Galiziens. Es wurde jedoch allen Senatorenfamilien die Möglichkeit gegeben, den österreichischen Fürsten- oder Grafenstand zu erwerben. War der Senatsadel als revolutionär und ausschweifend lebend geschildert, so bildete der niedere Adel das konservative Element des Staates. Allerdings waren seine Vermögensverhältnisse sehr schlecht, da ihm der Erwerb von Krongütern, die mit den genannten hohen Ämtern verbunden waren, versagt war, anderseits die Ausübung eines Handwerkes, eines Handelsgeschäftes oder die Übernahme einer Beamtenstelle in einer Stadt mit dem Ausschluß aus dem Adel bedroht war. Übrig blieben nur die eigenen, allerdings mit der Immunität ausgestatteten Güter, die im Erb!«) R. M. Steinbauer a. a. O. S. 50 f. 17) R. M. Steinbauer a. a. O. S. 51 w) 10.943/1803—9. 19) Politische Gesetze und Verordnungen K. Franz II, 8. Bd., Wien 1816 Nr. 22 S. 130.