Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)
WALDSTEIN-WARTENBERG, Berthold: Österreichisches Adelsrecht 1804–1918
Österreichs Adelsrecht 1804—1918 113 Wege laufend zerstückelt wurden, und die nur durch die Übernahme von kleineren Pachtungen vergrößert werden konnten. Da zahlreiche Adelige kaum den notwendigen Unterhalt fanden, traten sie in die Dienste reicher Standesgenossen, wobei sie nicht nur Verwaltungsposten bekleideten, sondern auch als Lakaien und Kutscher Verwendung fanden. Diese Arbeiten galten eigentümlicherweise nicht als standesmindernd. Als eine Besonderheit Polens ist es zu werten, daß es ganze Dörfer gab, die nur von Edelleuten bewohnt waren, von denen es nach Baldacci „in den Kreisen Siedlce, Radzyn und Biala einige hundert gibt“. Diese Adelige unterschieden sich weder in der Kleidung, Lebensweise oder Sitten von den Bauern, doch genossen auch sie die gleichen Vorrechte wie der übrige Adel, d. h. jeder von ihnen konnte König von Polen werden. Bei diesen Kreisen ist natürlich die von Baldacci angeprangerte schlechte Sitte des polnischen Adels, nämlich die Streitlust besonders groß, mit der sich Gerichte und Kreisämter dauernd zu befassen hatten. Mit der Eingliederung Galiziens in Österreich wurde hier die ständische Verfassung (17. Jänner 1775) eingeführt und der Adel rechtlich in den Herren- und Ritterstand geschieden. Dem Herrenstand gehörte der ehemals senatorische Adel an, soferne er von der ihm gebotenen Möglichkeit Gebrauch machte, den Fürsten-, Grafen- oder Freiherrnstand zu erwerben. Ersteren konnten nur jene Familien erwerben, die ihre Abstammung von einer königlichen Familie nachweisen konnten. Für den Grafenstand kamen jene Familien in Betracht, die Wojwoden, Palatine, Starosten mit Jurisdiktion oder Kastellane waren oder von Inhabern solcher Würden abstammen. Der Freiherrnstand war für vornehme Distriktsdignitare Vorbehalten20). Die Bewerber mußten ihre ehemaligen Würden entweder mit Origialdokumenten oder von den im Patent vom 13. Juni 1775 namentlich aufgezählten polnischen Magnaten bescheinigen lassen. Der übrige Adel gehörte dem Ritterstand an, wobei auch einfache Edle dem österreichischen Ritterstand gleichgesetzt wurden21). Sie mußten ebenfalls um Bestätigung nachsuchen, die ihnen jedoch taxfrei verliehen wurde, wobei solchen Personen, die ihre Adelsqualität nicht nachweisen konnten, aber über mehrere Eigenleute verfügten und eine Dominikaisteuer von mindestens 25 fl Rhein, zahlten, die Bestätigung ebenfalls verliehen wurde22). Sie mußten sich jedoch in die Adelsmatrikel eintragen lassen, die beim Gubernium in Lemberg geführt wurde. Die ursprünglich gegebene Frist wurde wiederholt verlängert und schließlich ganz aufgehoben. Mittels Patent vom 13. April 1817 wurden die galizischen Stände reorganisiert. Nach § 2 dieses Patentes gehörten dem Herrenstand nunmehr die mit dem Inkolat versehenen Fürsten, Grafen und Freiherrn und dem Ritterstand, die bereits bestätigten und immatrikulierten einheimischen 20) Patent vom 13. Juni 1775 (Theresianisches Gesetzbuch Nr. 1697 S. 220. 21) Wiederholt mittels Dekret ZI. 3.488/1830 — 9. 22) 141 ex majo 1784—9. Mitteilungen, Band 17/18 8