Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)
WALDSTEIN-WARTENBERG, Berthold: Österreichisches Adelsrecht 1804–1918
Österreichs Adelsrecht 1804—1918 111 Wurmbrand. Die Chefs dieser Familien führten nach einem Beschluß der Bundesversammlung vom 21. September 1829 den Titel „Erlaucht“ und die Anrede „Erlauchtig, Hoch und Wohlgeborener Graf“ 9). Ein Verzeichnis der von der Bundesversammlung festgestellten mediatisierten Reichsfürsten und Grafen enthält die Gesetzessammlung für die königlich preußischen Staaten von 1832 10). Die Zahl der hier genannten Familien ist nicht identisch mit den über die Reichskanzlei verliehenen Fürsten- und Grafenstandsdiplomen, da nur jene Familien als reichsunmittelbar anerkannt worden waren, die über Sitz und Stimme im Reichstag verfügten11). Die in Österreich vorherrschende Titelsucht ließ aber die klare kaiserliche Verfügung bald in Vergessenheit geraten und bald gaben die Unterbehörden allen Mitgliedern der genannten Fürsten- und Grafenhäuser die entsprechenden Titel, weshalb sich die Hofkanzlei veranlaßt sah, am 11. August 1841 mittels Dekret allen Landesstellen einzuschärfen, daß diese Titel nur den Chefs der mediatisierten Häuser Vorbehalten seien12). Im privaten Schriftverkehr wurde aber dieser Titel weiter geführt und auch die Anrede Reichsfürst, Reichsgraf usw. auch bei solchen Familien verwendet, die zwar ein Diplom der Reichskanzlei besaßen, aber niemals die Reichsstandschaft. Man achtete lange nicht darauf, bis schließlich ein Graf Wurmbrand 1914 den Titel Reichsgraf auch im Amtsverkehr durchzusetzen versuchte. Seine Beschwerde wurde aber vom Verwaltungsgerichtshof am 15. April 1915 abgewiesen13). Die Titel waren allerdings auch das einzige Vorrecht des ehemaligen Reichsadels. Da dieser schon in der älteren Zeit dem erbländischen Adel gleichgestellt war und die Bundesakten und Kongreßbeschlüsse ihm auch keine Rechte, die über die des österreichischen Adels hinausgingen, gewährten, konnte er in Österreich über keine Sonderstellung verfügen. Er war dem österreichischen Adel gleichgestellt und genoß die gleichen Vorrechte, wie dieser bis zum Jahre 1848 14). Auch im Rang bei Hof wurde ihm keinerlei besondere Stellung eingeräumt, da eine solche nur den Geheimen Räten und Kämmerern Vorbehalten war15). Die Regelung des Ranges bei Hof wurde lange Zeit hinausgezögert, da man auf die erbländischen Fürstenfamilien Rücksicht nehmen mußte. Schließlich empfahl Fürst Metternich in einem Vortrag am 30. April 1836, daß künftig die Chefs der ehemals reichsständischen Fürsten denen der übrigen fürstlichen Häuser vorangehen sollten. Mittels Handschreiben vom 2. September des gleichen Jahres führte Kaiser Ferdinand die von Kaiser 9) Polit. Gesetz-Sammlung 1829 S. 120 (v. 21. 9. 1829). 10) Nr. 10 S. 130—135; die gleichen Familien sind im fürstl. Gotha 2. Abt. aufgenommen. 11) 8130/1848—22. 12) 25.130/1841—22. 13) 315 A/1914—22. 14) 32.201/1843—22. 15) 37.475/1840—22.